Broughton House - Haus der Sehnsucht
hatte. All die Empfindungen, all die Gefühle, die sie seit Langem verdrängt hatte, wollten sich Luft machen. Sie sah nicht den Adam, der jetzt groß und würdevoll vor ihr stand und sie mit seinen grauen Augen aufmerksam betrachtete. Der elegante Abendanzug unterstrich dezent seine Männlichkeit, und sein dunkles, sonst meist etwas zerzaustes dichtes Haar war frisch geschnitten und sauber gekämmt.
Nein, jener Adam stand ihr vor Augen, den sie nur ein einziges Mal gesehen hatte: mit schweißnasser Haut, winzigen Tropfen am Hals und einem Moschusduft der Haut, der ihr in die Nase stieg und ihren Körper erbeben ließ. Seine Augen glühten wie geschmolzenes Silber und lösten eine Wollust und ein Verlangen in ihr aus, wie sie es nie für möglich gehalten hätte.
Trotz seines Sports und der Befriedigung, die Nick aus seinem Körper und seiner Sexualität zog, hatte er nie – könnte er nie …
Fern schluckte heftig. Sie zwang sich, die schamlosen Bilder zu vertreiben und sich stattdessen auf Adams Begleiterin konzentrieren, die schüchtern neben ihm stand.
Lily kann höchstens neunzehn sein, dachte Fern und erwiderte instinktiv das scheue Lächeln. Das junge Mädchen war beneidenswert groß. Es hatte hübsches dunkles Haar, rehbraune Augen, die unschuldig dreinblickten, und einen Mund, der Verwundbarkeit und Unsicherheit verriet.
Als ich sie das letzte Mal gesehen habe, trug sie noch eine Zahnspange und eine Schuluniform, dachte Fern flüchtig.
„Du erinnerst dich an Lily James, nicht wahr, Fern?“, fragte Adam jetzt und schob das junge Mädchen behutsam vorwärts.
„Ja … Ja, natürlich. Wie geht es Ihnen, Lily? Und wie geht es Ihren Eltern?“
Meine Güte, ich rede ja, als wäre ich so alt wie Lilys Großmutter, erkannte sie kläglich. Dabei lagen nicht einmal zehn Jahre zwischen ihnen.
Fern war niemals unfreundlich. Erst recht nicht gegenüber einem schüchternen jungen Mädchen wie Lily, selbst wenn …
Selbst wenn was? überlegte Fern verbittert und lächelte warmherzig, damit sich das junge Mädchen langsam wohlfühlte.
Selbst wenn Adam es liebte …
Das Herz klopfte ihr im Hals, und ihr Puls begann zu rasen. Ihre Hände wurden feucht, und sie presste die Nägel in die Handflächen, um den schmerzlichen Schrei zu unterdrücken, der in ihr aufstieg.
Was war mit ihr los? Sie hatte immer gewusst, dass Adam sich eines Tages verlieben und heiraten würde. Obwohl Nick behauptete, freiwillig würde sein Stiefbruder niemals das Singledasein aufgeben.
„Wenn du Adam unbedingt willst, gibt es nur eine Möglichkeit“, hatte er vor ihrer Heirat einmal zu ihr gesagt. „Du musst ihn überlisten und schwanger werden. Willst du ihn wirklich?“, hatte er verschlagen hinzugefügt.
„Adam ist nur ein Freund“, hatte sie geantwortet. Ein anständiges junges Mädchen durfte nicht einmal sich selber gegenüber eingestehen, dass es einen Mann begehrte, der es nicht wollte. Zumindest hatte sie das aus der äußerst prüden Erziehung durch ihre Mutter geschlossen.
Erneut spürte sie, wie der Schmerz in ihr aufstieg. Schuldgefühle und Scham mischten sich hinein.
Adam stand so nahe vor ihr, dass sie seinen Duft wahrnahm. Nicht den Hauch von Kölnisch Wasser, der an ihm haftete, sondern seinen ganz persönlichen männlichen Geruch.
Verzweifelt trat sie zurück, lächelte Lily zu und wollte sich verabschieden.
Sie hörte die Verärgerung in Adams Stimme, und ihr Magen zog sich schmerzlich zusammen.
Sie konnte Adam nicht ansehen. Sie wagte es nicht. „Ich glaube, Venice möchte, dass wir ins Esszimmer hinübergehen“, erklärte sie kühl und hielt nach Nick Ausschau.
Die Mahlzeit war eine exotische Mischung aus allem, was gut und teuer war. Das Essen muss so viel gekostet haben, wie ich in einem ganzen Jahr für Nahrungsmittel ausgeben kann, überlegte Fern.
Sie hatten das Dessert beinahe beendet, als Venice sich plötzlich an Dr. Parkinson wandte. „Was halten Sie von diesem Plan, Broughton House abzureißen und Läden und Büros auf dem Gelände zu bauen?“, fragte sie.
„Was für einen Plan?“, erkundigte sich Robertas Mann.
„Haben Sie nichts davon gehört? Man erzählt sich überall, dass jemand aus dem Ort ein Gebot für den Landsitz abgeben will. Angeblich, um ihn privat zu nutzen, in Wirklichkeit jedoch, weil er ganz andere Pläne dafür hat. Natürlich muss es jemand sein, der über die entsprechenden Verbindungen verfügt und genügend Einfluss besitzt, um die Baugenehmigung zu
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