Brown, Dale - Feuerflug
natürlich nicht, wie lange das dauern würde.
Patrick nahm den Helm ab, bevor er darunter erstickte – auch das Lebenserhaltungssystem seines Anzugs war ausgefallen –, als die ersten Panzer ihn erreichten. Die Soldaten rissen ihm den Ganzkörperpanzer vom Leib, legten ihm Handschellen an und brachten ihn in ein Sicherheitsgebäude auf der gegenüberliegenden Seite des Stützpunkts.
Dort wurde er in eine fensterlose, heiße Zelle gesteckt, die kaum größer als ein Kleiderschrank war. Er versuchte, jemanden mit seinem subkutanen Sender zu erreichen, bekam aber keine Antwort. Alles schien durcheinander geraten zu sein. Was zum Teufel ging hier vor?
Einige Stunden später kam Vizemarschall Sayed Ouda in Patricks Zelle. Er schwitzte fast so übermäßig wie der Gefangene.
»Wo sind Ihre Leute?«, fragte Ouda über einen Dolmetscher.
»Sie sind entkommen und werden wahrscheinlich gerade ausgeflogen«, antwortete Patrick.
»Warum sind Sie zurückgeblieben?«
»Um auf meine Kameraden zu warten, die in libyscher Gefangenschaft waren und nun hier sind«, sagte Patrick.
»Aber wir haben vermutet, dass Sie diese Begegnung verhindern würden. Offenbar war diese Vermutung zutreffend. Was geht hier vor, Sir?«
»Keine Fragen«, wehrte Ouda ab. »Sie werden dem Obersten Gericht zur weiteren Vernehmung überstellt.«
»Sie wollen mich Chalid al-Khan übergeben?« Keine Antwort – auch der Soldat, der als Dolmetscher fungierte, sah angegriffen aus. »Wo sind Madame Salaam und General Baris?«
»Ich habe ... ich habe gesagt ... keine Fragen«, stieß der Dolmetscher hervor – und dann übergab er sich sturzbachartig vor Patrick, spuckte aber mehr Blut als Erbrochenes. Einer der Wachposten musste den plötzlich Bewusstlosen auf den Korridor hinauszerren. Auch Vizemarschall Ouda verließ die Zelle fluchtartig und hatte es dabei so eilig, dass er sich nicht einmal die Mühe machte, die Tür zu schließen oder hinter sich abzusperren. Im Sicherheitsgebäude herrschte unglaubliches Chaos. Männer liefen schreiend durcheinander, manche in völliger, sehr unsoldatischer Panik. Andere setzten hastig Gasmasken auf, obwohl nichts auf einen Angriff hinzudeuten schien. »Was ist los?«, fragte Patrick. »Was ist passiert? Spricht hier jemand Englisch?« Niemand achtete auf ihn. Patrick irrte durch ein Labyrinth aus Korridoren, stieg eine Treppe hinauf und gelangte endlich ins Freie ...
...wo er auf der Zufahrt zu dem Sicherheitsgebäude Dutzende von ägyptischen Soldaten tot auf dem Asphalt liegen sah. Alle Toten hatten stark aus Mund und Nase, manche aus Augenhöhlen und Ohren geblutet.
Patrick kehrte durch den Haupteingang ins Gebäude zurück. An der Rezeption versuchte eine schwangere Sicherheitsbeamtin verzweifelt zu telefonieren. Ihre Hände zitterten so stark, dass sie die Zahlentasten nicht drücken konnte. »Können Sie mir helfen?«, fragte Patrick sie. »Sprechen Sie Englisch?« Sie sah ihn an und schien zu verstehen, was er sagte, aber sie versuchte weiter, eine Nummer zu wählen. Als sie’s endlich geschafft hatte, stieß sie einen frustrierten Schrei aus, weil sich niemand meldete oder die Nummer besetzt war. »Sie sprechen Englisch, nicht wahr?«, fragte er.
»Ja«, antwortete die Beamtin. »Bitte machen Sie den Eingang frei und geraten Sie nicht in Panik. Lassen Sie ...« Und dann wischte sie sich einen Blutfaden aus dem Augenwinkel und brach in Tränen aus.
»Nicht aufregen«, sagte Patrick. Er wusste nicht, was er sonst hätte sagen sollen. Er stand barfuß und in langer Unterwäsche vor der Rezeption und konnte nichts tun, weil seine Hände mit Handschellen auf seinem Rücken gefesselt waren. »Keine Angst, alles kommt wieder in Ordnung.«
»Ich kann meinen Mann nicht erreichen«, schluchzte sie. »Ich weiß nicht, was passiert ist.«
»Das Gebäude wird anscheinend geräumt«, erklärte Patrick ihr. »Wollen Sie sich nicht im Lazarett melden? Dort findet Ihr Mann Sie dann.« Die Frau nickte und stand auf, dann sah sie, dass Patrick mit Handschellen gefesselt war. Sie ging an ihren Schreibtisch zurück, holte einen Schlüssel heraus und nahm ihm die Handschellen ab. »Schukran gasilan«, sagte Patrick. »Soll ich Sie ins Lazarett fahren?« Sie schien Mühe zu haben, ihn zu verstehen. Er machte eine Bewegung, als halte er ein Lenkrad zwischen den Händen. »Soll ich Sie zum Arzt fahren?«
Die Frau nickte. Sie nahm eine Wüstentarnjacke, die jemand hier zurückgelassen hatte, vom Kleiderhaken und ihre
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