Brown, Dale - Feuerflug
waren Al-Jilf und Al-Kabir, über denen die zweite libysche Tu22 jetzt ihre Bomben abwarf.
Man hätte glauben können, der Bombenschütze habe die Zünder falsch eingestellt, denn die Bomben detonierten in dreihundert Meter Höhe, ohne mehr als einen lauten Knall zu erzeugen und unter sich etwas Sand aufzuwirbeln. Die Explosion wiederholte sich in sieben Minuten noch dreiundsechzigmal – fast zehn Waffen pro Minute –, während der libysche Bomber seine tödliche Saat ausbrachte. Auf der Erde sahen Soldaten neugierig auf, als sie die Detonationen hörten, und spürten unmittelbar danach einen kleinen Windstoß und leichten Überdruck in den Ohren – nicht stärker, als sei eine schwere Tür zugeschlagen oder ein Schlammklumpen aus einem neuen Bohrloch geschleudert worden. Befand man sich nicht genau unter einer detonierenden Bombe, blieb die Wärmeentwicklung jedoch sehr gering, und es gab keine Spur von Dämpfen oder Flüssigkeiten, keine Splitter oder Überreste von Brandsätzen. Bevor die meisten Leute auf sie aufmerksam wurden, hatten die Explosionen bereits aufgehört. Sie hätten zu einem Feuerwerk gehören können, aber wozu ein Feuerwerk über der Wüste abbrennen? Das ergab keinen rechten Sinn.
Es ergab auch später an diesem Tag keinen rechten Sinn – auch dann nicht, als die Soldaten in erschreckend großer Anzahl zu sterben begannen.
Die ersten Opfer waren die Männer, die sich genau unter detonierenden Bomben befunden hatten: Sie klagten über Kopfschmerzen, die rasch stärker wurden und zum Verlust von Sehvermögen und Gleichgewichtssinn führten. Einige Stunden später begannen sie Blut zu husten. Manche schafften es noch, eines der hoffnungslos überfüllten Krankenreviere zu erreichen, aber die meisten starben, von beunruhigten Kameraden und ratlosen Sanitätern notdürftig versorgt, in Stellungen oder Unterkünften. Bei den Männern, die bis zu eineinhalb Kilometer von den Nullpunkten entfernt gewesen waren, traten die Symptome erst am nächsten Tag auf, aber ihr Schicksal war das gleiche: unerträgliche Kopfschmerzen, die zu Blindheit führten, Gleichgewichtsstörungen, die jegliche Fortbewegung unmöglich machten, und plötzlich auftretende starke Blutungen, die innerhalb von acht Stunden zum Tod durch Verbluten führten.
Auch die Soldaten in Unterständen – sogar in chemiewaffenfesten Bunkern, unterirdischen Versorgungslagern und besonders geschützten Befehlsständen – entgingen ihrem Schicksal nicht. Die tödliche Neutronen- und Gammastrahlen der vierundsechzig über Salimah abgeworfenen Neutronenbomben, die im Gegensatz zu gewöhnlichen Kernwaffen keinen strahlenhemmenden Uranmantel besaßen, forderten schließlich über zwölftausend Menschenleben ...
...ohne einen einzigen Bohrturm zu beschädigen, einen einzigen Tropfen Erdöl zu verschütten oder ein einziges Stück kostbarer militärischer Hardware zu zerstören.
9
Naval Amphibious Base, Coronado, Kalifornien Einige Tage später
Patrick McLanahan joggte ungern, aber das war die einzige Fitness-Übung, die er nicht ganz verabscheute, und er wusste, dass er wahrscheinlich wie eine »Bunkerknacker«-Bombe platzen würde, wenn er sich davor drückte. War er zu Hause, joggte er meistens die kurze Strecke von seinem Apartment auf Coronado Island vor San Diego zum Sportzentrum der Naval Amphibious Base Coronado hinüber. Diesmal hatte er jedoch Bradley bei sich, deshalb fuhr er mit dem Auto. Es dauerte länger, in die Tiefgarage hinunterzufahren, Bradley auf dem Kindersitz anzuschnallen und sich in den Verkehr auf dem viel befahrenen Silver Strand Highway einzuordnen, als die kurze Strecke zum Stützpunkt zurückzulegen.
Sport zu treiben, gehörte zu den wenigen Dingen, die Patrick am liebsten ganz allein tat – aber jetzt nicht mehr. Das war eine der vielen kleinen Veränderungen, die er in seinem Leben hatte vornehmen müssen, seit Wendy nun nicht mehr da war.
Am Tor des Marinestützpunkts wurde streng kontrolliert, und selbst der Aufkleber an seiner Windschutzscheibe mit dem weißen Stern eines Brigadegenerals auf blauem Grund sicherte ihm keine raschere Abfertigung. Nachdem Patrick seinen Ausweis vorgezeigt hatte, wurde die Unterseite seines Wagens mit einem Spiegel abgesucht, bevor Motorraum, Wageninneres und Kofferraum visuell und von einem Spürhund kontrolliert wurden. Bradley, der ebenfalls aussteigen musste, gefiel der Hund, und ihm gefiel auch, wie er sogar den Kindersitz beschnüffelte. Nachdem sie die Kontrolle
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