Brown, Dale - Patrick McLanahan - 09 - Mann gegen Mann
gut«, hörte Luger sich antworten.
»Was sagen die Ärzte? Was machen sie?«
»Sie führen Unmengen von Tests durch«, sagte Luger. »Lauter Standardtests und eine Untersuchung auf Herz und Nieren als Auftakt. Das ganze übliche Zeug, aber am wichtigsten sind natürlich die psychiatrischen Tests.«
»Ah, psychiatrische Tests. Als ich Sie neulich abends gesehen habe, ist mir eine Art Dissoziation aufgefallen. Ich hätte nie gedacht, dass Sie an einer Psychose leiden könnten. Glauben Sie, dass sie in Zusammenhang mit den Ereignissen am Fisikous und der Tatsache steht, dass Sie mich hier wiedergesehen haben?«
»Schon möglich.« Irgendwo in Lugers Hinterkopf entstand ein seltsamer Verdacht, der sich rasch in seinem Bewusstsein ausbreitete. Was Smolij eben gesagt hatte, klang vernünftiger als alles, was Luger in jahrelangen Therapien oder stundenlangen Tests und Befragungen hier in Brooks gehört hatte. Es klang vernünftig, weil niemand etwas von seiner Zeit am Fisikous erfahren durfte – weil das zu Enthüllungen über den Einsatz gegen Kawasnja führen konnte, die wiederum zu Enthüllungen über Dreamland hätten führen können. Smolij wusste nicht viel über Dreamland, aber er wusste alles über das Fisikous und war jetzt bestimmt imstande, eine Verbindung zwischen beiden Einrichtungen herzustellen. Der Schlüssel zu allem, was in Lugers Kopf vorging, würde für ewig vergraben werden. Die zuständigen Regierungsstellen würden ihn lieber für den Rest seines Lebens ins Irrenhaus sperren lassen, als zu riskieren, dass er etwas über Dreamland ausplauderte.
»Könnte es sein …« Smolij versagte die Stimme. Er räusperte sich und fuhr heiser fort: »Könnte es sein, dass mein damaliges Verhalten an Ihrem jetzigen Zustand schuld ist?«
Er tat Luger augenblicklich Leid – was ein seltsames Gefühl war, denn es schien eine Ewigkeit her zu sein, dass David Luger irgendetwas für irgendjemanden empfunden hatte. Tatsächlich war Luger seit seiner Rettung aus dem Fisikous nicht mehr imstande gewesen, eine emotionale Bindung zu einem anderen Menschen einzugehen. Er hatte es bei Annie Dewey versucht … oder wenn er ganz ehrlich sein wollte, hatte Annie es bei ihm versucht. Er hatte nie sehr viel zu ihrer Beziehung beigetragen.
Annie.
Er hatte das Gefühl, als habe der dichte Nebel, der sein Gehirn bisher eingehüllt hatte, sich plötzlich gelichtet. Annie hatte versucht, ihm näher zu kommen – sie hatte seine Hand gehalten, ihn zum Essen eingeladen, oft seine Nähe gesucht, wenn er im Hangar oder im Labor arbeitete. Luger hatte plötzlich das Gefühl, sich selbst im Fernsehen zu sehen. Er hatte sie praktisch die ganze Zeit ignoriert. Hatte er jemals versucht, ihre Freundlichkeit, ihre Herzlichkeit zu erwidern? Wusste er überhaupt, wie man das machte? In dieser ganzen Zeit hatte er sie mit seiner emotionslosen Haltung zurückgestoßen. Jetzt bemühte Deverill sich um sie, und David sah untätig zu, wie sie aus seinem Leben verschwand. Warum? Hatte er das Gefühl, nichts anderes verdient zu haben? Wollte er einsam sein, weil er glaubte, er habe nichts anderes als Einsamkeit verdient, weil er die schmerzlichen Demütigungen, die er im Fisikous erlitten hatte, nur so verbergen zu können glaubte?
Seltsam … einer seiner größten Peiniger hatte mit ihm über sein inneres Leid reden müssen, damit er den Grund für seine selbst gewählte Einsamkeit erkannte.
»Ich … ich weiß nicht … nein, das glaube ich nicht«, sagte David. Noch vor wenigen Augenblicken hatte er diesen Mann gehasst, hätte ihn mit bloßen Händen erwürgen können – und jetzt hatte er nicht nur Mitleid mit ihm, sondern entschuldigte sich sogar bei ihm! »Das ist alles schon lange her, General. Ich habe seit damals einiges durchgemacht. Machen Sie sich deswegen keine Vorwürfe.«
»Ich könnte den Gedanken nicht ertragen, einen Mitmenschen auf dieser Ebene verletzt zu haben«, fuhr Smolij fort. »Ich bin dafür ausgebildet, den Feind rasch und effizient zu erledigen, aber ich hätte nie gedacht, ich könnte jemanden mental verletzen, ihm mentale Schmerzen zufügen. Diese Vorstellung ist ebenso schaurig, als sollte ich mich in die Gedankenwelt eines KZ-Aufsehers versetzen, der während des Holocaust einen jüdischen Häftling ermordet hat.«
»Reden wir nicht mehr davon, General … Roman«, sagte Luger » Ich bin hier der Spinner, oder haben Sie das vergessen?«
Er hörte den Ukrainer leise lachen; dann musste er den Hörer vom Ohr
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