Brown, Sandra - Ein skandalöses Angebot
sich mit der Zunge nervös die Lippen.
»Ihr Gatte meinte zu mir, ich könnte mich bei Ihnen als
Schreibkraft oder Gesellschafterin oder Ähnliches nützlich
machen«, stammelte sie. »Ich ... ich würde nämlich sehr
gern als Sekretärin arbeiten.« Ihr Herzschlag dröhnte in ihren Ohren, dass sie ihr eigenes Wort nicht mehr verstand.
Olivias Mund verzog sich zu einem schmallippigen Lächeln. Carson Wells tätschelte Lauren begütigend die Hand
und sagte milde: »Miss Holbrook, Ben war immer für eine
Überraschung gut. Mrs. Lockett ist eine gestandene Geschäftsfrau. Sie hat in der Bank genügend Angestellte, auf
die sie zurückgreifen kann. Ben mag Ihnen erzählt haben,
dass seine Frau eine Sekretärin brauche, aber seien Sie versichert, damit verfolgte er bestimmt irgendeinen Hintergedanken.«
Bank? Angestellte? Davon hatte Ben kein Wort verlauten
lassen. Sie wusste, dass sie sich an einen Strohhalm klammerte, indem sie stammelte: »Ich ... ich spiele recht gut
Klavier. Wenn Sie mögen, kann ich kleine Konzerte für Ihre
Gäste geben oder so etwas.«
Olivia hob abschätzig eine Braue. »Das klingt zwar ganz
reizend, aber wir besitzen gar keinen Flügel.«
Lauren wusste nicht mehr weiter. Sie blickte abwechselnd
von Olivia zu Wells. Geknickt senkte sie den Kopf und starrte auf das verschwitzte, zerknüllte Taschentuch auf ihrem
Schoß. »Verzeihen Sie, das wusste ich nicht. Sie müssen
denken ... ich war mir so sicher ... Darüber hat er keinen
Ton verloren ...« Unvermittelt schwammen ihre Augen in
Tränen, die ihr wie wahre Sturzbäche über die Wangen liefen.
»Aber, aber, nun weinen Sie mal nicht«, sagte Carson
schnell. »Ich fürchte, Ben wollte jemandem einen seiner unsäglichen Streiche spielen, und das vermutlich auf Ihre Kosten. Gott hab ihn selig, wir werden es nie erfahren! Aber
keine Sorge, Sie können für eine Weile hierbleiben. Olivia
und ich werden versuchen, Ihnen den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Na, kommen Sie schon,
Kopf hoch.« Carson klang aufrichtig erschüttert und tätschelte ihr heftig die Hand, dass es fast wehtat.
»Was halten Sie davon, wenn Sie zum Abendessen herunterkommen, Miss Holbrook? Um halb acht, bitte seien Sie
pünktlich.« Olivia klang ärgerlich.
Anscheinend hatte sie die Nase gestrichen voll.
Lauren fasste das als Aufforderung zum Gehen auf und
erhob sich. »Gern, danke, Mrs. Lockett.«
Sie kratzte ihren letzten Rest Selbstbewusstsein zusammen, bedachte die beiden mit einem knappen Nicken und
glitt zu den holzgeschnitzten Schiebetüren. »Miss Holbrook«, durchschnitt Olivias scharfe Stimme die Luft.
»Ja?« Lauren drehte sich auf wackligen Beinen zu ihr um.
»Da ist noch etwas, was ich zu gern wissen möchte.«
»Olivia, bitte ...«, fiel Carson ihr ins Wort. Er wurde
schnöde ignoriert.
»Waren Sie die Geliebte meines Mannes?«
Geliebte! Das Wort war wie ein Schlag ins Gesicht, als hätte Olivia ihr gerade eine schallende Ohrfeige verpasst. Eine
flammende Röte schoss in ihre Wangen, ihr wurde heiß und
kalt.
»Nein!«, japste sie. »Wie kommen Sie denn darauf ...?
Nein, ganz bestimmt nicht.« Sie war völlig baff, ihr fehlten
die Worte.
»Umso besser«, versetzte Olivia knapp. »Wir sehen uns
dann beim Abendessen.«
Auf dem Rückweg kämpfte Lauren mit ihrer Fassung.
Kaum war sie in ihrem Zimmer, sank sie auf das Bett und
begann zu weinen. Wütend über ihre eigene Naivität und
über Olivias Verdächtigungen. Erst neulich hatte man sie
ähnlich hart angegriffen und genauso ungerechtfertigt. Was
wollte man ihr eigentlich in die Schuhe schieben?
Sie trauerte um einen Mann, dem sie vertraut und der sie
im Stich gelassen hatte. Wieder dachte sie mit Panik an ihre
Zukunft, die bestenfalls in den Sternen stand.
Zwei Monate! Was hatte Ben sich von diesem Zeitraum
versprochen? Und was kam danach?
Sie zog sich zum Abendessen um und entschied sich für
eines der beiden hübschen Kleider, die sie mitgebracht hatte. Es war aus zartviolettem Baumwollmusselin und hatte
einen sittsam hochgeschlossenen Kragen, der mit einer
sahneweißen Spitzenborte versehen war. Das mit schmalen
Biesen abgepaspelte Oberteil wurde mit winzigen Perlknöpfen geschlossen. Der lange, in weiche Falten gelegte Rock
bedeckte ihre weißen Lederstiefelchen. Inzwischen mochte
sie auf Elena, die ihr geschickt zur Hand ging, nicht mehr
verzichten. Da sie mehr oder weniger immer auf sich gestellt gewesen war, war Lauren froh, in der Einsamkeit von
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