Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)
Parts für Born to Run komponiert hatte 3 , zurückließ. Er mietete ein abgelegenes Haus auf einem bewaldeten Hügel in Atlantic Highlands. Es war nicht so glamourös, wie man sich das Haus eines Rockstars vielleicht vorstellt, bot aber einen wunderbaren Blick auf die Sandy Hook Bay und verfügte über ein zweites Schlafzimmer, in dem sich der neue Roadmanager Rick Seguso in den Tourpausen einquartierte.
Das neue Album verkaufte sich selbst in Anbetracht des enormen Presserummels erstaunlich gut und kletterte bis auf Platz drei der Billboard -Charts. Bis zum Ende des Jahres konnten mehr als siebenhunderttausend Exemplare abgesetzt werden (was 1975 eine beachtliche Menge war), in den darauffolgenden Jahren wurden es noch viel mehr. Obgleich die Singleauskopplung »Born to Run« nicht über Platz neunundzwanzig hinauskam, schaffte es der Song auf die Playlists der Plattenhändler und Rundfunkredakteure, auf den Konzerten war er ohnehin längst eine feste Größe.
Diejenigen, die für Bruce oder die E Street Band arbeiteten, hatten so gut wie nichts vom Erfolg von Born to Run . Immerhin wurde anstelle des viel zu engen Ford-Kleintransporters ein mit Schlafkojen nachgerüsteter ausrangierter Linienbus der Kleinstadt Red Bank angeschafft, und irgendwann wurde sogar ein echter Tourbus gekauft. Ansonsten blieb alles beim Alten: Der ganze Tross übernachtete immer noch in billigen Hotels (oder eben im Bus), ernährte sich fast ausschließlich in Truck Stops und wartete bei der Aushändigung der Gehaltsschecks vergeblich auf Überraschungen. »Es war toll, ein Hitalbum zu haben«, sagt Tallent. »Aber wir dachten: ›Komisch, man merkt gar nicht, dass wir ein Hitalbum haben. Wir leben immer noch so, als wären wir bettelarm.‹«
Auch merkte man nichts von einer landesweiten Springsteen-mania. Obwohl sich die PR-Abteilung von CBS bei den Ausgaben für die Tourwerbung und die stärkere Radiopräsenz äußerst großzügig gezeigt hatte, war Bruce’ Bekanntheitsgrad im Süden, im mittleren Westen und an der Westküste der USA verschwindend gering. In einigen Regionen des Landes konnten ihnen die Veranstalter kaum mehr als die zweieinhalbtausend Dollar bieten, die die Band bereits Anfang 74 für eine Show verlangt hatte. Doch egal wo er auftrat und vor wie vielen Zuschauern er spielte, Bruce’ Shows waren mitreißender denn je. Vielleicht, weil Bruce Angst hatte, er könne als One-Hit-Wonder enden. Die freudige Erwartung im Zusammenhang mit der Plattenveröffentlichung mag ebenfalls dazu beigetragen haben, die Spielfreude noch einmal zu steigern.
An den meisten Abenden wurden durch ein Konzert Bruce’ Sorgen und Ängste in den Hintergrund gedrängt, da er sich an solchen Tagen voll darauf konzentrierte, auf der Bühne alles geben zu können. Doch manchmal war der Druck so gewaltig, dass Bruce permanent angespannt war. Gelegentliche Probleme mit der PA, die zu lautstarken Rückkopplungen führen konnten, endeten nicht selten damit, dass er vor lauter Wut gegen die Amps trat. Auch die täglichen Mahlzeiten gaben Anlass zu ernsthaften Auseinandersetzungen, wie beispielsweise Rick Seguso eines Abends in New Orleans erfahren musste. Der Roadmanager orderte bei der Bestellung der allabendlich gemeinsam eingenommenen Mahlzeit anstelle des üblichen und von allen geschätzten Brathähnchens ein Gefügel-Cordon-Bleu, das der Caterer als regionale Spezialität anpries. Die meisten freuten sich, endlich einmal etwas anderes zwischen die Zähne zu bekommen. Bruce hingegen, dessen Nerven wegen einer Rückkopplungspanne wieder einmal blank lagen, starrte nachdenklich auf die mit Soße beträufelte und mit Käse und Schinken gefüllte Hähnchenbrust auf seinem Teller, probierte einen kleinen Bissen, ließ dann sein Plastikbesteck fallen und zischte: »Was ist das für eine Scheiße?« Seguso erklärte, was ihm der freundliche Caterer über die regionalen Spezialitäten von New Orleans erzählt hatte, doch Bruce giftete ihn nur wütend an. »Mir egal, ich find’s zum Kotzen!« Es war schon ziemlich tollkühn von Seguso, daraufhin in die Runde zu deuten und zu sagen: »Sonst hat sich aber noch keiner beschwert.« Da packte Bruce sein Fleisch und schleuderte es Seguso ins Gesicht. »Dann friss es doch selbst«, brüllte er, stürmte aus dem Raum, den Gang entlang nach draußen und von dort aus höchstwahrscheinlich zum nächsten Kentucky-Fried-Chicken-Restaurant.
»Ich sagte nur: ›Heilige Scheiße!‹«, erinnert sich Seguso. »Alle
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