Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)
einfach alles gelingt.«
Der Rummel um Born to Run schien gar nicht mehr abzuebben. In weiten Teilen der Rezensionsleser- und Plattenhörerschaft setzte sich offenbar die Ansicht durch, dass dieses Album nichts Geringeres sei als das heroische Werk eines wahren Helden: Gottes Geschenk an die kulturell arg gebeutelten 70er-Jahre. Damit hatte sich das ganze Gerede, dass Bruce der neue Dylan sei, endgültig erledigt. Zugleich meinten aber jene Journalisten und Kritiker sich bestätigt fühlen zu dürfen, die zwar kein Ohr für Bruce’ Musik hatten, dafür aber ein waches Auge und einen unbestechlichen Blick für die magische Melange aus Hype und Herdentrieb, die sie hier am Werk wähnten. Sie fragten, wie man Springsteens Verbindungen zum Lager der Kritiker deuten und was man von dem inzestuösen Kreis, der sich um den jungen Musiker geschart hatte, halten solle. Jedem aufmerksamen Leser von Musikmagazinen und Jugendzeitschriften war Landau aufgrund seiner Beiträge ein Begriff, und viele dürften gewusst haben, dass er für die Plattenkritiken beim Rolling Stone als Leitender Redakteur verantwortlich war. Weniger bekannt war, dass Greil Marcus und Landau langjährige Freunde waren – und dass Marcus Springsteens Freund und Vertrauten überhaupt erst für den Redakteursposten vorgeschlagen hatte –, und so konnte man durchaus die Frage stellen, ob nicht vielleicht Marcus’ persönliche und berufliche Beziehung zu Landau (der beim Rolling Stone ja sein Vorgesetzter war) den Ausschlag für seine begeisterte Besprechung von Born to Run gegeben hatte.
Außerdem war Landau ein enger Freund des Journalisten Dave Marsh, der Landau im Frühjahr 74 zu seinem ersten Springsteen-Konzert begleitet, die beiden einander vorgestellt und den Kritiker schließlich dazu ermuntert hatte, seinen »Ich sah die Rock’n’Roll-Zukunft«-Artikel im Bostoner Real Paper zu veröffentlichen. Der Gedanke, Marsh, der einst bei der Musikzeitschrift Creem in Detroit angefangen hatte, könne Bangs zu seiner extrem positiven Besprechung überredet haben, war schon weitaus verwegener. Allerdings hatte Marsh einen Monat vor dieser Besprechung ein glorifizierendes Porträt von Springsteen in der Creem veröffentlicht. Das wiederum bestätigte einige verschwörungstheorieaffine Kritiker in ihrer Meinung, dass heimliche Absprachen respektive der Herdentrieb unter den maßgeblichen Kritikern des Landes alles andere als unwahrscheinlich seien. Für sie lag die durchweg positive Resonanz entweder in solch unsauberen Machenschaften begründet, oder es gab hier einen mehr schlecht als recht gebildeten Gitarristen aus New Jersey, der einfach clever genug war, das Ideal jedes Musikkritikers zu erfüllen: eine Verbindung aus Bob Dylans Intelligenz mit Elvis Presleys Sexappeal. Von diesen Überlegungen ausgehend, werden die Worte Henry Edwards gegen Ende der ersten großen Welle an Born to Run -Kritiken verständlich: »Wenn es Bruce Springsteen nicht gäbe, müssten ihn Rockjournalisten erfinden.« 1
Und das war erst der Anfang.
Es wurde entschieden, Magazinen oder anderen Printmedien nur dann ein Interview mit Bruce zu gewähren, wenn sie bereit waren, eine Titelstory über ihn zu bringen (was zunächst lediglich eine PR-Masche war, bald aber nötig wurde, da das Interesse ungeahnte Dimensionen annahm). Einige Monate später erhielt Appel einen Anruf von einem Newsweek -Redakteur. Das Magazin sei bereit, eine Coverstory über Bruce zu bringen. Die beiden führenden Nachrichtenmagazine der USA hatten ihm zwar bereits mehrere Seiten gewidmet – das Time -Magazin hatte sich ausgiebig mit Greetings und The Wild, the Innocent beschäftigt und in der Newsweek war ein mittellanger, größtenteils wohlwollender Artikel 2 zu Born to Run erschienen –, doch jetzt wollte man bei der Newsweek mit einem Hintergrundbericht etwas mehr in die Tiefe gehen. »Einen Entertainer aufs Cover zu bringen, war damals ein Ding der Unmöglichkeit«, erklärt Maureen Orth, die den Artikel schreiben sollte. »Aber [die Journalisten] liebten ihn, und als ich seinen Auftritt in Asbury Park sah, dachte ich: ›Mein Gott, was für ein überragender Performer.‹« Doch bald sickerte auch durch, dass das Magazin Bruce weniger als faszinierenden Newcomer porträtieren wollte, denn als ein Retortenprodukt der Musikbranche.
Als der Feuilletonist des Time -Magazins, Jay Cocks, Wind von der geplanten Newsweek -Story bekam, fürchtete er gleich, dass die Konkurrenz kein gutes Haar an
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