Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)
Bruce?« Was immer Orths Intention gewesen sein mag, der Newsweek -Artikel lief auf einen Vergleich von Bruce mit Coca Cola heraus. Dieses massiv beworbene Getränk wurde als »the Real Thing« bezeichnet, wie der Werbeslogan der Marke damals lautete.
Cocks griff in der Time das Bild vom Zauber der Nacht aus »Thunder Road« (»Show a little faith, there’s magic in the night«) auf, und für viele Fans war Bruce, ganz gleich aus welchen Gründen, der Magier, dem dieser Zauber zu verdanken war.
Die Inhalte der beiden Artikel waren eine Sache; Bruce fürchtete vor allem, dass die bloße Veröffentlichung dafür sorgen würde, dass seine Musik, seine Seele und alles, wofür er stand, dem Starrummel zum Opfer fielen. Er haderte mit sich, weil er zugelassen hatte, ein Prominenter zu werden. »Er empfand Ruhm als etwas Böses«, erklärt Stephen Appel. »Er hatte gesehen, wie Menschen dadurch ruiniert und zu Karikaturen ihrer selbst geworden waren.« Während Mike Appel seinen werbestrategischen Triumph feierte und sich die Jungs von der E Street Band aufgeregt fragten, was das ganze öffentliche Interesse für die Zukunft der Band bedeutete, brütete Bruce in seinem Hotelzimmer in Los Angeles vor sich hin. »Er hatte mehr bekommen, als man sich je hätte erträumen können«, sagt Steve Van Zandt. »Doch er war echt angepisst! Ich hingegen strahlte übers ganze Gesicht. Ich fand das alles klasse.« Das tat auch Garry Tallent, der die beiden Magazine auf dem Flughafen in Dallas entdeckte, von wo aus er zum nächsten Auftrittsort fliegen wollte. Doch dem Bassisten ging auch etwas anderes durch den Kopf: »Das war ein klassisches Beispiel dafür, dass man vorsichtig sein soll mit dem, was man sich wünscht, denn es ist oft eine zweischneidige Angelegenheit, wenn Wünsche in Erfüllung gehen.«
Bruce verbrachte den Tag, an dem die beiden Nachrichtenmagazine herauskamen, zunächst Flipper spielend mit Ron Oberman, einem PR-Agenten von Columbia. Anschließend stand Billard im Haus des ehemaligen CBS-Angestellten Frank Shargo auf dem Programm. In New York dämmerte derweil einigen Mitarbeitern der PR-Abteilung, dass der neue Star die Risiken, die mit dem übertriebenen Medienrummel einhergingen, womöglich ganz richtig eingeschätzt hatte. »Als wir die Platte zum ersten Mal in der Hand hielten, sagten wir: ›Jetzt müssen wir sofort die nächste Stufe zünden. Es gibt noch viel zu tun!‹«, so Marketing-Manager Ron McCarrell. »Da haben wir uns vielleicht ein bisschen zu sehr mitreißen lassen und aufs Gas gedrückt.« Einige von Bruce’ größten Befürwortern wiesen darauf hin, dass trotz allem ein Rückschlag nicht ausgeschlossen war. Der A&R-Manager Michael Pillot hatte in der Zeit zwischen den Bottom-Line-Shows und der Veröffentlichung des Albums versucht, ein bisschen Tempo aus der Kampagne zu nehmen. Doch PR-Kampagnen sind wie Bomben. Hat man sie erst einmal gezündet, gibt es kein Zurück mehr. »Die Antwort lautete: ›Nein‹«, erinnert er sich. »›Sie wollten, dass es läuft. Jetzt läuft es.‹«
Bruce war in Los Angeles und ärgerte sich über Dinge, die nicht mehr zu ändern waren. Er musste sich eingestehen, nicht nur das Opfer des ganzen Medienrummels zu sein, da er diesen zu einem gewissen Grad selbst angezettelt hatte. »Ich wäre ja gar nicht erst auf diese Titelseiten gekommen, wenn ich das nicht gewollt hätte«, erklärte er dem Journalisten Bill Flanagan 1992. »Ich hätte diese Interviews ja überhaupt nicht geben müssen. Ich weiß noch, wie ich irgendwo saß und mich fragte: ›Mensch, will ich das wirklich machen? Ich hab echt Schiss davor.‹ Aber ich wollte auch nicht mit sechzig auf meiner Veranda sitzen und sagen: ›Ach, hätte ich doch damals nur …‹ Hey, so eine Chance bekommt man nur ein Mal. Also sagte ich mir: ›Ergreif sie!‹«
Die erste einschneidende Veränderung, die mit dem Erscheinen der beiden Coverstorys zusammenhing, war, dass Bruce aus dem Bungalow, in dem er seit dem Frühjahr 1974 lebte, ausziehen musste. Das kleine Häuschen lag ziemlich unauffällig zwischen etlichen größeren Eigenheimen und konnte leicht übersehen werden, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als es plötzlich zu einer Wallfahrtsstätte für aufdringliche Fans geworden war, deren Entschlossenheit, sich dem Objekt ihrer Begierde zu nähern, größer war als der Respekt vor dessen Privatsphäre. Bruce fühlte sich genötigt, so überstürzt auszuziehen, dass er das Klavier, auf dem er so viele
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