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Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Titel: Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ames Carlin
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Kindheit«, sagt er. »Die Helden dieser Geschichten hatten keinen festen Boden unter den Füßen.« In der fatalistischen Atmosphäre des Roman noir schien etwas von seiner katholischen Prägung widerzuhallen. »Da war dieses Gefühl der Beklemmung und des Ausgeliefertseins, der Unfähigkeit, sich aus diesem Sumpf befreien zu können.« Wie bedrückend war es, in einer Welt zu leben, in der ein allmächtiger, wütender, unbegreiflicher Gott über uns richtet.
    Landau hatte Bruce dafür sensibilisiert, bei Filmen nicht nur das vordergründig Gezeigte wahrzunehmen, sondern auch auf den Subtext zu achten und auf die Erzählweise. Bruce sah seine Lieblingswestern und -B-Movies nun mit anderen Augen an. Nach und nach eignete er sich ein großes Wissen über die Geschichte und die Technik des Films an, und mit dem wachsenden Verständnis für filmische Erzähl- und Ausdrucksformen fand er auf unterschiedlichen Ebenen einen neuen Zugang zu Filmen. Er entdeckte Symbole und Inhalte, die er vorher nicht bewusst wahrgenommen hatte. So entwickelte er auch ein neues Verständnis für seine eigene Arbeit, was sich besonders in der Wahl einfacher Bilder und schlichter Erzählsituationen niederschlug. Die Lieder von Hank Williams und anderen bedeutenden Countrymusikern brachten ihn dazu, seine Songs auf ihr Grundgerüst zu reduzieren: ein paar Akkorde, eine unkomplizierte Melodie, schlichte, umgangssprachliche Texte. Die wenigen Soli waren kurz und pointiert, meist wiederholten oder variierten sie nur die Melodie. 2 »Es ist eine schnörkellose Platte«, sagt Bruce über Darkness on the Edge of Town. »Ich habe jeden Song so weit wie möglich abgespeckt und versucht, sehr klar und geradlinig zu sein.«
    Über eine seiner wichtigsten neuen Inspirationsquellen stolperte Bruce rein zufällig. Eines Nachts zappte er durch die Fernsehkanäle und landete bei einem alten Film über eine notleidende Farmersfamilie zur Zeit der Weltwirtschaftskrise. Henry Fonda spielte die Hauptrolle, einen jungen Okie namens Tom Joad. Die erste Hälfte des Films hatte Bruce verpasst, doch die Geschichte über die verarmte Familie, die versucht, Arbeit zu finden und sich bemüht, trotz aller Widrigkeiten ihre Würde zu bewahren, interessierte ihn. Bei nächster Gelegenheit sprach er mit Landau über den Film. Der wusste sofort, dass es sich um John Fords Verfilmung des John-Steinbeck-Romans Früchte des Zorns handelte. Im weiteren Gespräch bemerkte Landau bald, dass sich etwas an Bruce’ Herangehensweise an sein nächstes Album geändert hatte. »Seine Art, die Dinge zu betrachten, hatte sich verändert.« Dem TV-Moderator Bob Costas erklärte Bruce 1995, dass ihn Fords Film 3 nie mehr losgelassen habe. »Der Film hat mir bewusst gemacht, worum es in dieser Geschichte eigentlich geht«, sagte er. »Und das ist etwas, was sich in fast allen Songs, die ich seither geschrieben habe, in der einen oder anderen Weise niedergeschlagen hat.«
    Wie die Born to Run -Songs handelten auch die neuen von Menschen aus der Arbeiterklasse, wie Bruce sie von klein auf kannte. Nachbarn, Kollegen und Klassenkameraden, die wie er selbst in ihrem Leben an einem Punkt angekommen waren, an dem sie eine gewisse Beständigkeit zwar durchaus schätzten, aber noch zu jung waren, um mit dem, was das Leben bisher für sie bereitgehalten hatte, zufrieden zu sein. Erst seitdem er auch die Schattenseiten des Erfolgs kennengelernt hatte, begriff Bruce, dass selbst sorgsam gehegte Träume sich im Lauf des Lebens verändern. Damals habe er begonnen, sich tatsächlich erwachsen zu fühlen, erklärte er Thom Zimny 2010. Mit Ende zwanzig sei er an den entscheidenden Punkt gekommen, habe erkannt, dass »das Leben nicht mehr offen vor einem liegt. Erwachsen zu sein bedeutet, Kompromisse einzugehen. Das geht gar nicht anders. Es gibt vieles, bei dem man gern zu Kompromissen bereit ist, aber auch vieles, bei dem man keine Zugeständnisse machen möchte.« Das galt sogar für einen Rock’n’Roll-Star, dessen letztes Album sich bereits über eine Million Mal verkauft hatte. »Klar, die Platte war ein großer Erfolg«, sagte Bruce zu Zimny. »Aber als ich nach Asbury Park zurückkehrte, hatte ich mehrere Millionen Dollar Schulden.«
    Nach der zwangsweisen zweijährigen Studiopause stellte sich die Frage, ob sich außer den hartgesottenen Fans an der Ostküste überhaupt noch jemand an Bruce erinnerte oder sich für ein mit extremer Verspätung veröffentlichtes Nachfolgealbum interessierte. Die

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