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Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Titel: Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ames Carlin
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muss, damit ein Song perfekt funktioniert.«
    In den anderthalb Jahren nach der Veröffentlichung von Born to Run sah ein Tag für die Band etwa folgendermaßen aus: Man traf sich um vierzehn Uhr in dem holzgetäfelten Aufnahmeraum in Bruce’ Haus in Holmdel. Die Musiker feilten an Livearrangements, verpassten den Coverversionen, die sie in ihr Liveset aufnehmen wollten, ihren eigenen Stempel, peppten ältere Songs auf und versuchten sich an neuen, die Bruce in seinem Notizbuch sammelte. Vielleicht lag es an der Angst vor der drohenden Pleite oder an der hohen Anspannung infolge des Prozesses, dass Bruce zu jener Zeit produktiver war als jemals zuvor. Er nahm eine Gitarre in die Hand, setzte sich an ein Klavier oder gönnte sich einen ruhigen Moment, und schon sprudelten die Songs nur so aus ihm heraus – manchmal mehrere hintereinander. Alle neuen Nummern präsentierte er der Band. Manche waren bereits komplett ausgearbeitet, andere waren noch ziemlich unfertig – sie bestanden aus kaum mehr als einer Strophe, einem Riff und Textfragmenten, teils auch nur aus einem einzigen Wort. Letzteres war beispielsweise der Fall bei einem auf vier Akkorden basierenden Rocksong. Als Bruce ihn zum ersten Mal im Proberaum spielte, sang er als Refrain nur das Wort »Badlands«. Daneben gab es noch Rocknummern über hübsche Mädchen und schnelle Autos, Liebesballaden, Klagelieder über hinterhältige Freundinnen, Porträts über Außenseiter, Streetracer und hoffnungslos Verliebte sowie Roadsongs.
    Steve war hingerissen von Bruce’ neuem Songmaterial. Die PopNummern, wie »Ain’t Good Enough for You«, »Fire« oder »Rendezvous«, hatten etwas von der Beschwingtheit der Hits aus den späten 50er- und frühen 60er-Jahren, die sie als Teenager im Radio gehört hatten. Hingegen erinnerten »Talk to Me«, »It’s a Shame« und »The Brokenhearted« an Soulmusik. Wieder andere Songs schienen von anderen musikalischen Strömungen inspiriert worden zu sein. Außerdem gab sehr emotionale, komplexe Lieder, die auf die verschiedenen Kämpfe anspielten, die Bruce ausgefochten hatte. Zu diesen zählten beispielsweise »The Promise«, »Something in the Night«, »Breakaway« und »Racing in the Street«. Diese Musik war enorm kraftvoll und sehr bedeutend. »Er selbst nahm es gar nicht als etwas Außergewöhnliches wahr; ich fand, es war die Krönung«, sagt Van Zandt. »Persönlich zu sein ist einfach. Auch originell zu sein ist einfach, ob du es glaubst oder nicht. Pink Floyd ist einfach. ›Louie Louie‹ ist schwer. Sgt. Pepper’s – kein Thema, das ist großartig. Aber ›Gloria‹, das ist noch mal ein ganz anderes Kaliber. Versuch mal aus diesen drei Akkorden was Fetziges zu machen. Das ist ultimative Rock’n’Roll-Kunst/-Inspiration/-Motivation. Darum geht es bei der ganzen Sache!« Bruce schüttelt den Kopf und lacht, als er das hört. »Typisch, das ist mein Freund«, sagt er. »Er hat eine sehr eigene Sicht auf die Dinge.«
    Manch neue Inspiration verdankte Bruce Landau. Von der musikalischen Prägung her – Rock, Soul und Country – waren sich Landau und Van Zandt sehr ähnlich. Für Bruce war er – im Gegensatz zu Van Zandt – ein Formalist, der davon überzeugt war, dass sich die Energie des Rock’n’Roll am besten einfangen ließ, wenn man ihn professionell einspielte, technisch perfekt aufnahm und so sauber abmischte, dass man bei jedem Instrument jede Nuance klar heraushören konnte. 1 Bruce wusste, dass Van Zandt und Landau in vielen Punkten nicht einer Meinung waren. Ihr Verhältnis erinnerte an die Konstellation Appel-Landau während der Born to Run -Sessions. 2010 räumte Bruce gegenüber dem Filmemacher Thom Zimny ein, dass er dafür durchaus seine Gründe hatte. Er erzählte, dass er schon als Kind zwischen zwei Menschen gestanden habe, die beide einen starken Einfluss auf ihn ausübten. »Das waren alles Dreiecksbeziehungen«, sagt er. »Meine Großmutter, meine Mutter und ich. Mike, Jon und ich. Jon, Steve und ich. Solche Konstellationen gibt es bis heute.«
    Bruce hatte ein Faible für die grotesk-makabren Familiengeschichten der Südstaaten-Autorin Flannery O’Conner. Ihm gefielen auch die Romane von James M. Cain, zum Beispiel Wenn der Postmann zweimal klingelt oder Doppelte Abfindung, in deren psychisch angeknackste Protagonisten er sich gut hineinversetzen konnte. »Ich fand in den Figuren meine eigene seelische Verfassung ein Stück weit widergespiegelt, und zudem erinnerte mich manches an meine

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