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Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Titel: Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ames Carlin
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und die in den Lyrics genannten Figuren bleiben blass. Dasselbe gilt für eine ganze Reihe von Songs auf diesem Album. Die besseren Nummern zeigen, dass es auch anders geht: »With Every Wish«, ein Song über einen ehrgeizigen Jungen, gleitet mit seinen sanften Percussionklängen und Mark Ishams gedämpfter Trompete elegant dahin, »Cross My Heart« lässt es in einer schwül-warmen Nacht kräftig knistern, und »Roll of the Dice« versetzt das Blut trotz allem selbsttherapeutischen Gerede in Wallungen. Die beiden Highlights der Christic-Institute-Auftritte, »Soul Driver« und »Real World«, kränkeln allerdings wiederum an einem viel zu forcierten Tempo und zwar perfekt aufeinander abgestimmten, aber völlig überfrachteten Drumlayern und synthetischen Percussions. Es ist eine rundum perfekte digitale Produktion, doch ein authentisches Gospel-oder Rock’n’Roll-Feeling kann sie schwerlich vermitteln.
    Ganz anders Lucky Town. Diese Songs wirken wie eine von einem Motorrad aufgewirbelte riesige Wolke aus Abgasen, Staub und Kieselsteinchen. Von der in voller Ledermontur geschmetterten Unabhängigkeitserklärung von »Better Days« über den ersten Schrei eines Neugeborenen in »Living Proof« bis hin zum füchtigen Blick auf das Höllenfeuer, den »Souls of the Departed« gewährt, strotzt die Musik nur so von Freude und Verachtung, Liebe und Furcht. Die Songs packen den Hörer mit aller Gewalt und lassen ihn nicht mehr los: Hör dir an, was ich zu sagen habe – jetzt! Vielleicht kam dieser ungezügelte emotionale Ausbruch zu unvermittelt, jedenfalls wollten sich viele nicht darauf einlassen.
    Im Vorfeld der Veröffentlichung war wochenlang darüber spekuliert worden, welche Bedeutung die beiden Alben für Bruce’ Karriere nach der E Street Band, nach New Jersey und nach seinem vierzigsten Geburtstag haben würden. Als die Platten erschienen, fel das Echo für Bruce’ Verhältnisse eher verhalten aus. Die Rezensenten äußerten sich zwar meist positiv, das allerdings nicht uneingeschränkt. Gleichwohl waren viele Kritiker geneigt, mildernde Umstände gelten zu lassen. Anthony DeCurtis vom Rolling Stone stellte viele Gemeinsamkeiten zwischen dem altbekannten Springsteen-Sound und der vermeintlichen Neuorientierung der L.A.-Alben heraus, aber als geradezu verdammungswürdig kritisierte er »Real Man«, das ihn mit seinem »glatten, nervigen, sich stets wiederholenden Keyboardriff« stark an Phil Collins erinnerte. David Browne von Entertainment Weekly ereiferte sich über das »schwammige Durcheinander kreischender Gitarren und lebloser Rhythmusarbeit« und beklagte an den meisten Songs eine »erschreckend künstliche Machart«. Jay Cooks von der Time wiederum fand die Platten »wunderbar« und resümierte: »Springsteen ist neugeboren und wieder voll da«. Damit lag er mehr oder weniger mit David Hepworth vom britischen Musikmagazin Q und Lloyd Sachs von der Chicago Sun-Times auf einer Linie.
    In kommerzieller Hinsicht legten die beiden Alben einen guten Start hin. Human Touch stieg auf Platz zwei der Albumcharts ein, Lucky Town direkt dahinter auf Platz drei. So triumphal, wie sich Bruce, Landau und Columbia das Comeback erhofft hatten, war es allerdings nicht. In der ersten Woche machten Def Leppard mit ihrem Album Adrenalize und danach die Kiddie-Rapper Kris Kros Bruce die Topplatzierung streitig. Und danach ging es für die beiden Alben relativ schnell bergab bis zum unteren Ende der Top 100 . »Natürlich hatten wir uns etwas mehr versprochen«, sagt Ienner. »Aber wir hatten ja auch zwei miteinander konkurrierende Alben herausgebracht. Manch einer war überdies enttäuscht, dass die E Street Band nicht dabei war, andere nahmen [Bruce] übel, dass er aus New Jersey weggezogen war. Doch wenn man die Verkaufszahlen beider Alben zusammenzählt, erhält man genau das Ergebnis, das man damals beim Verkauf eines einzelnen Albums erwartet hätte.« Immerhin, so erklärt Ienner, erlangten die beiden Platten Platinstatuts, obschon sie unmittelbar miteinander konkurrierten.
    Bruce wollte vor allem seine neue Musik bekannt machen und seine Unabhängigkeit von der E Street Band unter Beweis stellen. Das bedeutete, er musste auf Tour gehen. Der Startschuss für die neue Tournee, von der noch nicht feststand, wie lang sie dauern sollte, fiel im Juni in Europa. Den ganzen Winter und das Frühjahr hindurch arbeitete Bruce mit gelegentlicher Unterstützung von Bittan daran, eine elfköpfige Band zusammenzustellen, die nicht

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