Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)
nur die E-Street-Songs spielen können musste, sondern auch sämtliche Soul-, Funk-, Gospel-, Folk- und Rock’n’Roll-Nummern, die er ihnen vorlegte. Vielleicht noch wichtiger aber war, dass die Musiker das richtige Gespür besaßen. Bruce wünschte sich, bei jedem von ihnen einen Funken jenes Geistes zu entdecken, den er knapp fünfundzwanzig Jahre zuvor im Upstage Club in Asbury Park kennengelernt hatte: einstöpseln, aufdrehen, loslegen und die Nacht durchspielen.
Von Anfang an stand fest, dass Bittan der einzige Keyboarder der Band sein sollte. Das hieß, der »Professor« musste nicht nur seine eigenen Parts spielen, sondern auch die von Federici. Zunächst machte sich Bruce auf die Suche nach einem Drummer und einem Bassisten. Er hörte sich eine ganze Reihe von Bewerbern an, bis er sich schließlich für den jungen New Yorker Drummer Zach Alford entschied, der sich als Tourmusiker für die B-52s auf deren gefeierter Cosmic Thing -Tour einen Namen gemacht hatte, sowie für den Bassisten Tommy Sims, der mit seinen sechsundzwanzig Jahren von Kennern als einer der talentiertesten Jungmusiker gehandelt wurde. Einen geeigneten Gitarristen zu finden, war erheblich einfacher. Irgendwann um die Weihnachtsfeiertage zappte Bruce durch die Fernsehkanäle und blieb bei der Wiederholung einer Folge von Saturday Night Live aus dem Jahr 1986 hängen, in der die Countryrock-Band Lone Justice mit der sagenhaften Frontfrau Maria McKee zu Gast war. Der Gitarrist dieser Formation war ein Brite namens Shane Fontayne. Sein ungeschliffener, melodischer Stil gefiel Bruce auf Anhieb. Fontayne hatte die Band zwar mittlerweile verlassen, doch der Manager von Lone Justice, Jimmy Iovine, der als Tontechniker an den Aufnahmen zu Darkness beteiligt gewesen war, rief den Gitarristen an und erzählte ihm, dass er Bruce’ Interesse geweckt hatte.
»Jimmy sagte, ein Freund von ihm wolle wissen, ob ich Lust hätte, mit ihm auf Tour zu gehen«, erinnert sich Fontayne. »Ich fragte: ›Aha, wer ist denn dein Freund?‹ Und er meinte nur: ›Springsteen.‹« Ein paar Tage später flog Fontayne nach L.A. und fand sich zum Vorspielen in Bittans Studio in Hollywood ein. Das gesamte Equipment, um das er gebeten hatte, war dort bereits aufgebaut. Außer Bruce und Bittan waren noch Alford und ein Bassist 3 dort. Bruce zählte einen Blues-Groove ein, und sie begannen zu spielen. Als sie ein paar Stunden später eine Pause einlegten, sah Bruce Bittan an und sagte, auf Fontayne deutend: »Ziemlich viel Twang, den wir da zu hören bekommen.« »Zu viel?«, wollte der Gitarrist wissen. »Nö«, antworteten Bruce und Bittan unisono.
Am nächsten Abend trafen sie sich noch einmal – mit einem anderen Bassisten – und spielten ein paar Stunden. Danach flog Fontayne zurück an die Ostküste. Ende April lud man ihn für eine weitere Session nach L.A. ein. Alford saß immer noch an den Drums, als Bassist war diesmal allerdings Sims dabei. Nach der Session zog sich Bruce mit Bittan und Landau in den Regieraum zurück. Als er wieder hinauskam, winkte er die restlichen Musiker zu sich. »Da wären wir also, Jungs«, sagte er und deutete in die Runde. »Herzlich willkommen! Die Show kann beginnen!«
»Bruce hat auf jeden sehr viel Rücksicht genommen«, sagt Alford. »Er begegnete uns allen mit sehr viel Respekt und war wesentlich bodenständiger, als ich es von jemand so Berühmten erwartet hätte.«
Jetzt, da das Line-up der fünfköpfigen Kernband feststand, suchte Bruce noch ein paar Sänger, die ihm halfen, den R&B-Gospel-Sound, der ihm vorschwebte, auf die Bühne zu bringen. Leiter des Background-Chors wurde Bobby King, der damals bereits seit etlichen Jahren mit Ry Cooder zusammenarbeitete. Verstärkung bekam er von Cleopatra Kennedy, Gia Ciambotti, Carol Dennis, Angel Rogers und Crystal Taliefero. Letztere war eine junge Sängerin, die auch Gitarre und Percussion spielte und überdies gerade Saxofon lernte. Patti kümmerte sich die meiste Zeit um Evan und Jessie und stand daher nur sehr selten mit auf der Bühne. Wann immer es sich einrichten ließ, trat sie bei »Human Touch« und ein paar anderen Songs als Gastmusikerin auf.
Ende April begann die Band mit den Proben für die Tour auf der Soundstage der Hollywood Center Studios. In der ersten Maiwoche legten sie eine Pause ein und fogen nach New York, wo Bruce zunächst im Bottom Line Club ein Exklusivkonzert für zweihundert Columbia-und Sony-Mitarbeiter gab. Kurz darauf ging es in die NBC-Studios
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