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Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Titel: Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ames Carlin
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perplex, dann richtig aufgebracht, und so schnappte sich Bruce Lopez, um mit ihm eine guerillamäßige Rückholaktion durchzuführen. Das Haus war leer, die Türen waren verriegelt und die Fenster fest verschlossen. Bruce hievte sich zum Fenster seines Zimmers im ersten Stock hinauf, kletterte aufs Dach und suchte überall nach einer Möglichkeit, ins Haus zu gelangen – aber vergeblich. Da er kein Fenster einschlagen wollte, blieb er eine Zeit lang in der Dunkelheit sitzen und dachte nach. Dann stieg er wieder zu Lopez ins Auto und fuhr mit versteinerter Miene die Route 35 entlang, jene Straße, die ihn zur Surfbrettfabrik zurückführte, zu seiner Gitarre und allem, was ihm die Zukunft zu bieten hatte.
    Da sie nun in der Fabrik nicht mehr nur probten, sondern (die meiste Zeit) auch dort lebten, war die Band nahezu pausenlos beschäftigt. Wenn einmal große Mengen Bestellungen für Surfbretter abzuarbeiten waren, war es mit Musikmachen allein nicht getan. Der Fabrik gegenüber waren sie quasi zwangsverpflichtet, und so konnten Bruce und die anderen durchaus schon mal einige Stunden damit verbringen, Surfbretter abzuziehen, zu schleifen und mit Schichten aus Epoxidharz zu überziehen. Die meiste Zeit über ließ West die Band jedoch in Ruhe, damit sie sich ungestört auf ihre Musik konzentrieren konnte. Und wenn es ab und an Ärger gab – zum Beispiel als sich herausstellte, dass sich eine Band aus Long Island nicht nur ebenfalls Child nannte, sondern unter diesem Namen auch schon ein Album produziert hatte –, zogen alle ins Inkwell Coffee House in Long Branch, um die Probleme bei Bier (Bruce trank Pepsi) und Burgern zu besprechen. Dort wurden auch eine ganze Reihe eher unpassender Bandnamen diskutiert – darunter Moose Meat, Locomotive und Intergalactic Pubic Band –, bis Lopez’ langjähriger Freund Chuck Dillon schließlich den tough und cool klingenden Namen Steel Mill vorschlug, auf den man sich rasch einigte.
    In Virginia legte derweil Billy Alexander sein Studium vorerst ein wenig auf Eis, um die geplante Werbekampagne für die Band in Richmond ins Rollen zu bringen. Er organisierte verschiedene Auftritte für die Jungs, unter anderem an der University of Richmond und der Virginia Commonwealth University. Daneben verschaffte er ihnen Auftritte in zwei Shows in dem dreitausendfünfhundert Zuschauer fassenden Crenshaw Gymnasium, wo sie jeweils das Vorprogramm bestreiten sollten – am ersten Abend für eine ambitionierte Jazzrockgruppe namens Chicago Transit Authority und am zweiten für die berühmte Hardrockband Iron Butterfly.
    Ihre wachsende Popularität in den Universitätsstädten in Zentral-Virginia verlieh Steel Mill weiteren Auftrieb. In Richmond hatte sich die Band bereits einen so hervorragenden Ruf erarbeitet, dass sie bei einer Show im November sogar noch nach den eigentlichen Head-linern auftrat. Für Alexander, der an der Konstruktion ihrer PA beteiligt war und viele ihrer Proben und Shows miterlebte, stellte allerdings der Gig am 20. November an der University of Richmond einen entscheidenden Wendepunkt dar: Das Konzert war noch nicht lange im Gange, als die Band »Goin’ Back to Georgia« anstimmte, einen bluesigen Südstaatenrocker, den Bruce in einer Art Allman-Brothers-Fieber geschrieben hatte. Beginnend mit einem grollenden E-Akkord baute sich »Georgia« zu einem volltönenden Bandgewitter auf, bei dem Bruce sein gesamtes Stimmvolumen einsetzte und das nur unterbrochen wurde von ein paar scharfen Gitarrenriffs, die Lopez mit einigen donnernden Drumeinlagen untermalte, bevor sich die Orgel, begleitet von Roslins dröhnendem Rhythmus, hinzugesellte. Dann machte die gesamte Band eine Kehrtwende zum dreistimmig gesungenen Refrain, der mit seiner ungeheuren Klarheit und Präzision in starkem Kontrast zu dem kurz zuvor dargebotenen instrumentalen, chaotisch wirkenden Donnerwetter stand.
    »Ich schwöre, ich hatte eine Gänsehaut«, sagt Alexander. »Alles fügte sich zusammen. Das Publikum war völlig aus dem Häuschen und Bruce strahlte übers ganze Gesicht. Es war, als wüsste er, was da gerade passiert war. Er hatte einen Riesenschritt getan. Und der nächste Schritt sollte ihn ganz nach oben katapultieren.«
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    1   Kenn sprach von der Figur aus Charles Dickens A Christmas Carol, nicht von dem Ukulele spielenden skurrilen Musiker der späten 60er.

Kapitel 5
ROCK’N’ROLL UND REVOLUTION
    Bruce hatte sich seit den Tagen seiner romantischen Jugendgedichte und seiner ersten

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