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Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Titel: Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ames Carlin
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Singer-Songwriter-Experimente als Texter merklich weiterentwickelt. Die ätherischen Damen, durch die Lüfte schwebenden Vögel und hungernden Kinder seiner frühen Collegearbeiten waren Reflexionen über die eigene Kindheit gewichen und der Beschäftigung mit allem, was ihn als Jugendlichen plagte: das Militär, die Polizei, Lehrer und Geistliche. Trotzdem war sein Talent als Texter in den späten 60ern noch nicht voll ausgebildet. Die urwüchsige Kraft seiner Musik hingegen zog den Hörer von Anfang an in seinen Bann. In dem nur mit einer Gitarre und Lopez’ glockenreinem Blockflötenspiel instrumentierten »Sister Theresa« wird das Gelübde christlicher Nonnen ganz unverhohlen erotisiert. »You say you’re married to Jesus Christ/And that he’s in your bedroom every night«, singt Bruce. »Come with me for a while/I promise I make you smile.« Zusammen mit »Resurrection«, das wegen seiner an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lassenden Abrechnung mit dem Katholizismus bei den Fans sehr beliebt war, bildete diese Nummer häufig den Abschluss seiner Shows. Der im wahrsten Sinne des Wortes größte Knaller aber war »The Wind and the Rain«, ein Song mit einem furiosen Höhepunkt, auf den die Band bemerkenswerterweise wiederholt genau dann zusteuerte, wenn es zu großangelegten Polizeirazzien, unerwarteten Wolkenbrüchen und einmal sogar zu einem Blitzeinschlag in dem Gebäude kam, in dem sie gerade auftraten. »Wuuuusch, fuhr er durch den ganzen Saal«, erzählt Lopez. »Er löste einen ganzen Funkenregen aus … als hätte man Hunderte Wunderkerzen entzündet.«
    Bruce schrieb auch etliche Anti-Kriegs-Lieder, wie »We’ll All Man the Guns«, »The War Is Over«, »The War Song« und viele mehr. Doch ihren Texten fehlte aufgrund der selbstgerechten Empörung ihres Schöpfers oft die entscheidende Schärfe. So gleicht in »America Under Fire« die Heimatfront einem Höllenreigen, in dem besiegte, missgestaltete Soldaten, Frauen, die zu Huren geworden sind, und blinde, rasende Verrückte die Straßen bevölkern. Sollte trotz all dieser Schrecken beim Hörer noch nicht angekommen sein, wie fehlgeleitet diese Welt ist, so wird dies spätestens im Schlussteil klar mit seinem sarkastischen musikalischen Zitat der Titelmelodie von The Mickey Mouse Club.
    Im Vergleich zu der mitreißenden, kraftstrotzenden Musik hinken die Texte fraglos hinterher. Doch selbst in diesen jungen Jahren sind seine Ambitionen als Songwriter beachtlich, insbesondere, wenn es darum geht, mit den eingefahrenen Konventionen des Rock’n’Roll zu brechen. »Bruce begann, ungewöhnliche Kombinationen auszuprobieren«, sagt Steve Van Zandt. »Heraus kamen epische, lange Songs. Ich wüsste nicht, dass irgendjemand sonst mit so vielen Akkordwechseln gearbeitet hätte. Höchstens die Mothers of Invention, wobei ich nicht glaube, dass er ein großer Fan von ihnen war.« Bruce erinnert sich daran, dass er ein Faible für die Allman Brothers hatte. »Sie spielten so eine Art Südstaatenrock, zumindest galt das für einige ihrer Stücke«, sagt er. »Prog-Rock, Südstaatenrock. Die Allman Brothers verbanden verschiedene Stilrichtungen miteinander und haben mit diesem Mix viele andere Musiker inspiriert. Ich fand an ihren Songs die komplexen Arrangements am interessantesten.«
    Sein eigener Song »Garden State Parkway Blues« besteht aus drei oder vier verschiedenen Songs, die sich – in Sound, Stil und Gesang – deutlich voneinander unterscheiden und von mehreren Instrumentalparts und Soli zusammengehalten werden. Das auf der Bühne oft dreißig Minuten oder länger dauernde Stück beginnt mit einem eingängigen Rockgroove in einem moderaten Tempo, der einen Arbeiter auf seinem Weg vom Bett zum Frühstück (»Whoa, my Kellogg’s Corn Flakes are my very best friend!«) und von dort bis auf den Fahrersitz eines billigen Gebrauchtwagens mit Startproblemen (»But I don’t care … it’s really got a heart«) 1 begleitet.
    »Punch in at nine, punch out at five«, heißt es in dem immer wilder werdenden Sprechgesang des darauf folgenden Refrains, der zu einem Gitarrensolo in doppelter Geschwindigkeit überleitet, an das sich ein weiterer gesprochener Teil anschließt, in dem von unbezahlten Rechnungen und nicht nachgekommenen Verpflichtungen die Rede ist. Weiter geht es mit einer von Gitarren und Drums unterlegten Schilderung eines endlosen Highways voller »two-eyed monsters«. Diese wird von einer verträumten Fantasie aus Gesang und Blockflöte

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