Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Titel: Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ames Carlin
Vom Netzwerk:
stehlen), wechselte er immer wieder zwischen Gitarre und Klavier hin und her und präsentierte dem Publikum dabei eine ganze Reihe neuer Songs. Viele davon zählen heute zu seinen Klassikern. Doch die Nummer, die die Zuschauer am meisten bewegte, die sie völlig sprach- und reglos zurückließ, sollte nie wieder in seinem Repertoire auftauchen.
    »Als Bruce anfing zu singen, klang seine Stimme wie die eines kleinen Kindes«, erinnert sich Wasylczenko. Der Song handelte von einem Mann und einem Jungen, die Hand in Hand an einen See gehen, um zu angeln – es hätte aber auch ebenso gut eine von Fred Springsteens Den-Sperrmüll-der-Nachbarn-nach-Elektroschrott-durchsuchen-Aktionen sein können. »Man spürte förmlich, wie groß die Zuneigung des Jungen zu seinem Großvater war, und das nur durch die Beschreibung dieses an sich nicht außergewöhnlichen Angelausfugs.« Das Publikum lächelte versonnen, während Bruce sang und ruhig die Akkorde zupfte, bis er bei der letzten Strophe angekommen war. In dieser wird erzählt, wie der Junge wenige Tage nach dem Ausflug auf seinem Nachhauseweg von der Schule ist. »Er beschreibt, wie er zum Haus seiner Familie kommt«, erklärt Wasylczenko. »Er geht durch das Törchen und ist irritiert von irgendetwas, das er im Wohnzimmer sieht.« Als der Junge schließlich vor seiner Mutter steht, stellt er eine Frage, die den schrecklichen Höhepunkt des Songs markiert. »Er fragte: ›Mami, warum schläft Opa in einer Kiste?‹ Das Publikum war wie paralysiert«, so Wasylczenko. »Ich meine, es war absolut still im Saal. Niemand klatschte. Sie waren einfach … sprachlos. Bruce wandte sich schnell ab und ich sah Tränen über sein Gesicht laufen. Ich glaube, er hat diesen Song nie wieder gespielt.«
    Bruce gab im Frühjahr und Sommer eine Handvoll Solokonzerte. Das wohl denkwürdigste unter ihnen war das von seinem alten Freund Howard Grant im Juli organisierte Benefizkonzert zur Unterstützung des demokratischen Präsidentschaftskandidaten George McGovern, dem liberalen Senator von South Dakota. Das Konzert, das in Grants dreihundert Zuschauer fassendem Cinema III in Red Bank stattfand, war im Nu ausverkauft; es mussten sogar zusätzliche Sitzplätze im hinteren Teil des Saals und in den Gängen bereitgestellt werden. Wie Grant berichtet, wurde Bruce während der politischen Ansprachen immer nervöser. »Er war total unpolitisch«, so Grant. »Er glaubte nicht daran, dass Politiker irgendetwas zum Guten oder zum Schlechten wenden konnten. Aber man darf nicht vergessen, gegen wen McGovern antrat. Es ging um den Generationenkonfikt. Bruce hätte jeden unterstützt, der angetreten wäre, um Richard Nixon aus dem Weißen Haus zu jagen.«
    Einen Kandidaten zu unterstützen – egal welchen – war, Bruce zufolge, zu jener Zeit, in der Feindseligkeiten gegen die Hippies in New Jerseys Kleinstädten ihren Höhepunkt erreicht hatten, in jedem Fall ein Risiko. »Ich bin damals zur Wahl gegangen«, erzählt Bruce. »Zum allerersten Mal. Also muss ich mich damit [mit Politik und Präsidentschaft] schon auseinandergesetzt haben.« Und seine Meinung muss ihm sehr wichtig gewesen sein, bedenkt man, dass er den Kontakt mit den Ämtern und Behörden von Monmouth County in der Regel vermied. »Sich an irgendetwas beteiligen, bei dem man sich ausweisen musste? Das ging definitiv weit über das hinaus, wozu wir bereit waren. Man musste einen Identitätsnachweis vorlegen; so was trugen nur wenige Leute mit sich rum. Einen festen Wohnsitz brauchte man, glaube ich, auch. Aber zu jener Zeit ließ ich mich meistens treiben. Ich meine, wo wohnte ich 72 denn schon?«
    Die Politik, die sich zu jener Zeit ganz unmittelbar auf Bruce’ Leben auswirkte, war die seiner Begleiter und Berater, die sich mehr und mehr in zwei Lager spalteten: auf der einen Seite jene, die in Bruce den einsamen Singer-Songwriter sahen, der er seit seiner ersten Begegnung mit Appel durchaus war, und auf der anderen Seite diejenigen, die von ihm als Rock’n’Roll-Gitarrist und Frontman fasziniert waren, ihn also in jener Rolle sahen, die er in der Vergangenheit hauptsächlich gespielt hatte. John Hammond wollte, dass Bruce dem Stil treu blieb, mit dem er sich bei ihm präsentiert hatte, und Appel teilte diese Vorstellung. Doch je näher die für Juli angesetzten Aufnahmesessions rückten, umso mehr stellte Bruce sich seine neuen Songs mit Bandbegleitung vor. Zweifellos bot sich für einige der für das Album ausgewählten Songs die

Weitere Kostenlose Bücher