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Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)

Titel: Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ames Carlin
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finanziert wurde – dasselbe Gebäude, in dem auch Dylans ebenso exzentrischer wie erfolgreicher Manager Albert Grossman sein Büro hatte. Daran, dass Appel einen großen Teil des Vorschusses beim Büromöbelkauf bei Macy’s verprasste, nahm Bruce keinen Anstoß. Und es interessierte ihn auch nicht (möglicherweise hatte er auch keine Vorstellung davon), was es kostete, alle Geschäftsräume mit Teppichböden, Schreibtischen, Stühlen, Sofas und Beistelltischen auszustatten. Wenn es seinem Manager, der ihm einen Blutschwur geleistet hatte, gefallen hätte, Grossmans bizarrem Beispiel zu folgen und eine Art König-Artus-Thron in seinem Büro aufstellen zu lassen, von dem aus er auf jeden hinabblicken konnte, der sein persönliches Reich betrat, dann hätte er vermutlich auch das einfach nur cool gefunden.
    Appel hatte Bruce nach so vielen Jahren, in denen er vor immer denselben Fans in immer denselben Clubs und Colleges in New Jersey und Virginia aufgetreten war und nur selten einmal in die von viel mehr Konkurrenzkampf bestimmte Szene in New York hineingeschnuppert hatte, wie einen Showbiz-Superhelden behandelt. Er hatte Türen für ihn aufgestoßen – oder eingetreten. Er hatte diejenigen, die ihn hatten abblitzen lassen, wie Trottel dastehen lassen und die wirklich einflussreichen Entscheidungsträger dazu gebracht, ihm aus der Hand zu fressen. Wenn Bruce Appel ansah, sah er sein Alter Ego: einen unerbittlichen Kämpfer, dessen Herz für die Musik schlug und der die ganze Welt im Blick hatte. Die fünfunddreißig Dollar pro Woche, die er von ihm erhielt, inklusive Geld für Miete, eine neue Gitarre und gelegentliche Extras, schienen ihm mehr als genug zu sein.
    Plötzlich war alles, was Bruce tat, von Bedeutung. Nachdem er, wie verlangt, eine Liste mit allen Liedern angelegt hatte, die er je geschrieben hatte, arbeiteten Cretecos und Spitz mit ihm wochenlang an Aufnahmen für professionelle Demobänder, mit deren Hilfe seine Songs urheberrechtlich geschützt werden sollten. Die meisten davon wurden nie in ihrer Urform veröffentlicht, aber einige (wie etwa »Circus Town« und »Vibes Man«) bildeten die Grundlage für spätere Kompositionen. Allein die Songtitel zeugen von Bruce’ Faszination für überlebensgroße Charaktere und grausige vor- und frühgeschichtliche Bildwelten. Ob »Balboa vs. the Earthslayer«, »Calvin Jones & the 13th Apostle« oder »Black Night in Babylon«, die Reminiszensen sind ebenso gewaltig wie die Kühnheit ihres Verfassers: ein Musiker, der sich bereits im Alter von zweiundzwanzig Jahren mit elementaren Fragen zu Glauben, Krieg, Gott, Leben und Tod auseinandersetzt.
    Während Bruce die dunklen Impulse seines künstlerischen Schaffens erforschte, schmerzten ihn die damit verbundenen Erinnerungen und Bilder so heftig, als wären es frische Wunden. Der Schreibprozess bot einen gewissen Trost: zunächst durch die Katharsis, dann durch das Gefühl, des inneren Chaos Herr geworden zu sein. Doch er war immer aufwühlend und die damit einhergehende Euphorie flüchtig. Bruce sehnte sich danach, mit anderen in Kontakt zu treten, er benötigte den Trost des Scheinwerferlichts und die Energie, die sich von den Menschen jenseits der Bühne auf ihn übertrug.
    Mitte April engagierte Victor »Igor« Wasylczenko, der Inhaber eines ortsansässigen Plattenladens, Bruce für einen Sologig im Rahmen eines von ihm organisierten Konzerts an der Freehold Township High School, der Konkurrenzschule von Bruce’ ehemaliger Lehranstalt, der Freehold Regional High School. Nach einer Besprechung bei Wasylczenko wenige Tage vor der Show schlenderte Bruce zum ersten Mal seit etlichen Monaten wieder durch seine ehemalige Nachbarschaft. Seit drei Jahren war er nicht mehr dort gewesen. Das ist eine lange Zeit für einen jungen Menschen. Doch jetzt, da er dieselben Bürgersteige entlangging wie in seiner Kindheit, langsam die Randolph Street hochspazierte, einen Moment innehielt, um seine Hand auf den knorrigen Stamm der Buche zu legen, die immer noch die Stelle markierte, wo sein Zuhause gewesen war, jetzt war ihm, als hätte er seine Heimat nie verlassen – als werde er es auch niemals tun, ganz gleich wohin er reiste oder wie lange er fortblieb.
    Bei dem Konzert, zu dem er unangekündigt erschien (Sunny Jim, die in der Vergangenheit oft als Vorgruppe für Steel Mill aufgetreten waren, waren für dieses Event als Headliner verpflichtet worden, und Bruce hatte nicht die geringste Absicht, ihnen die Show zu

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