Bruce: Die Springsteen-Biografie (German Edition)
Club in Greenwich Village. Bruce sollte am frühen Abend spielen, in der weniger attraktiven Zeit zwischen der Happy Hour und dem Auftritt des Bluessängers Charlie Musselwhite um einundzwanzig Uhr.
Bruce und Appel kehrten in das provisorische Büro von Laurel Canyon an der West 54th Street zurück, wo sich Appel, Cretecos und Spitz die Finger wund telefonierten, um so viele Bekannte, Freunde und Fans wie möglich zu überreden, sich den kurzfristig anberaumten Gig anzuschauen. Bruce legte sich unterdessen in seiner Hängematte in Spitz’ Wohnung ein wenig schlafen. Als Spitz kurz nach siebzehn Uhr ebenfalls dorthin kam, übergab er Bruce seine handgefertigte Martin D-35 Akustikgitarre und begleitete ihn ins Gaslight, wo er kurz darauf vor einer Handvoll Zuschauer auf die Bühne stieg, seine Gitarre stimmte und dabei ein paar Witze riss.
Auf derselben Bühne, die Bob Dylan ein Jahrzehnt zuvor als Karrieresprungbrett gedient hatte, spielte er genau die Songs, mit denen er Hammonds Augen bereits am Vormittag zum Leuchten gebracht hatte – »It’s Hard to Be a Saint«, »If I Was the Priest« und so weiter –, nur dass er diesmal mit der für ihn auf der Bühne typischen Energie und Ausstrahlung zu Werke ging. Auch ohne seine E-Gitarre und die kraftvollen Riffs, mit denen er ansonsten den Sound seiner Band prägte, konnte Bruce seinen großes Können an der Gitarre unter Beweis stellen. Nach einer halben Stunde hatte Hammond genug gesehen. Er sagte zu Appel: »Holen Sie ihn von der Bühne runter, und lassen Sie uns gehen.«
Vor dem Club erklärte Hammond Bruce, dass sich sein Leben nun grundsätzlich verändern werde. »Du wirst ein Columbia-Künstler sein«, soll Hammond, wie sich Spitz erinnert, gesagt haben. Bevor es dazu kommen konnte, war zwar noch das ein oder andere zu tun – beispielsweise musste Bruce noch Columbia-Chef Clive Davis vorgestellt werden –, doch Hammond versprach, Bruce während des gesamten Prozederes beizustehen und all seinen Einfluss geltend zu machen, um sicherzustellen, dass jeder in der Plattenfirma wusste, wer er war und was er konnte. Den ersten Schritt unternahmen sie schon am folgenden Nachmittag: Im CBS-Gebäude nahmen sie so viele Demosongs auf, wie auf eine Azetatplatte passten, damit die im Haus die Runde machen konnte. Die Session verlief ohne nennenswerte Zwischenfälle. »Ich stellte mich einfach hin und sang die besten Songs, die ich hatte«, erinnerte sich Bruce 1998. »Ich fühlte mich sehr sicher bei dem, was ich tat … war aber gleichzeitig auch nervös.« Als Davis ein, zwei Tage später wieder im Büro war, ging Hammond gleich zu ihm. Er legte die frisch produzierte Azetatscheibe auf Davis’ Büroplattenspieler und setzte die Nadel auf. Der Columbia-Chef war beeindruckt genug, um Hammond zu bitten, einen persönlichen Termin mit Bruce zu vereinbaren.
Wenige Tage später war es so weit. Davis begrüßte Bruce herzlich und bat ihn, seine Gitarre auszupacken. Noch bevor der letzte Ton des ersten Songs verklungen war, hatte Bruce Davis eigentlich schon überzeugt. »Ich fand ihn ganz außergewöhnlich«, sagt er. »Ich war beeindruckt von seinen Texten und ihrer Bildsprache.« Anfangs zog der Columbia-Chef Parallelen zwischen dem jungen Singer-Songwriter und Bob Dylan. Doch bald schon erkannte er, wie sehr sich Springsteen von der Songwriter- Legende unterschied, und seine Begeisterung nahm noch zu. Und während Bruce in seinen Songs die Schauplätze seiner realen und erdichteten Welten heraufbeschwor, wurde Davis in diese für ihn ebenso aufregenden wie unerschlossenen Szenarien förmlich hineingesogen. »Die Themen, über die er schrieb, seine Art zu dichten, all das war ganz anders als Dylan«, sagt er. Nachdem Bruce aufgehört hatte, zu spielen, verlangte Davis von Hammond, den jungen Mr. Springsteen so schnell wie möglich unter Vertrag zu nehmen. Wenige Tage später lagen die entsprechenden Unterlagen auf Appels Schreibtisch. Bruce nahm eine Kopie des Vertrags mit nach Asbury Park, um ihn gründlich zu studieren. Unfähig, sich allein durch das ganze juristische Kauderwelsch durchzuarbeiten, bat er Robin Nash um Hilfe, eine Freundin, die er aus der Musikszene von New Jersey kannte. Die beiden hockten auf dem Boden von Bruce’ unmöbliertem Apartment und kämpften sich bei Kerzenlicht durch das wichtige Dokument, weil Bruce die Stromrechnung nicht hatte bezahlen können. »Wir gingen den Vertrag Wort für Wort durch«, schrieb sie in einem auf einer Fanseite
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