Bruchlandung
Meister. Wirst schon sehen, dass an der Sache nichts dran ist.«
»Ich bin schon voll und ganz deiner Meinung, Thilo, aber weil wir gute Bullen sind, oder besser sein wollen, schauen wir uns seinen Einsatzplan wenigstens mal an.«
15
Thomas Blatter stand in der Küche seines noblen Hauses in der besten Gegend von Kassel am Fenster, nippte an einem Espresso und betrachtete gelangweilt die wenigen Schneeflocken, die vom leichten Wind hin und her getrieben wurden. Hinter ihm schlüpfte ein junger Mann in seine Jeans und griff nach den Stiefeln.
»Hast du meine Kohle?«, fragte er teilnahmslos.
Der Jurist wollte zu seiner auf dem Tisch liegenden Brieftasche greifen, doch ein Geräusch in der Einfahrt ließ ihn stocken.
»Geh bitte zurück ins Schlafzimmer und lass dich nicht blicken, bis ich dich hole«, befahl er dem verdutzt aus der Wäsche guckenden Jungen, der jedoch keine Anstalten machte, der Aufforderung Folge zu leisten.
»Geh ins Schlafzimmer, sage ich!«
»He, he, was ist denn los? Ich hab um halb zehn einen Termin auf dem Arbeitsamt, und wenn ich da nicht auflaufe, kriege ich einen Haufen Ärger.«
»Du kriegst einen viel größeren Ärger, und zwar mit mir, wenn du nicht augenblicklich ins Schlafzimmer verduftest.«
»Aber …«
»Nichts aber. Wenn dich das was kostet, ersetze ich es, und jetzt hopp!«
Langsam und mit schlurfenden Schritten verließ der Besucher die Küche, bewegte sich aufreizend langsam über den Flur und verschwand schließlich in dem Raum, in dem er die Nacht verbracht hatte.
Blatter, der ihm bis zu diesem Moment hinterher gesehen hatte, drehte sich um und erkannte gerade noch, wie zwei hünenhafte, breitschultrige Männer aus einem großen, ihm bestens vertrauten Geländewagen kletterten.
Ich weiß, was du willst , dachte der Strafverteidiger, während er in das wütende, unwirsch und kalt wirkende Gesicht seines Bruders blickte.
»Was fällt dir ein?«, brüllte Andreas Blatter ohne jegliche Form von Begrüßung, nachdem er an der Tür in Empfang genommen worden war.
Sein Bruder wartete auf den zweiten Mann, der jedoch an der Beifahrertür des Mercedes-G-Modells lehnte und die Hände aneinander rieb.
»Nun komm doch erst mal rein, Bruderherz«, gab Blatter ruhig zurück. »Und mach vor allem nicht so einen Lärm, da platzt einem ja das Trommelfell.«
Der Jüngere sah den Älteren an, als habe der in einer anderen, fremden Sprache zu ihm geredet.
»Lass diesen Fraternisierungsscheiß«, zischte er. »Und komm mir auch nicht mit irgendwelchen Ausreden, du Arschloch.«
Thomas Blatter schloss seelenruhig die Tür, trat an seinem Bruder vorbei und nahm Kurs auf das Bücherzimmer.
»Komm, hier gehts rein.«
»Was soll ich denn in deiner Papierabteilung?«, gab der Rockerpräsident unwirsch zurück.
»Mir zuhören.«
»Als ob du mir etwas erzählen könntest, das ich noch nicht weiß.«
»Na, dann lass dich mal überraschen«, erwiderte der Jurist, schob seinen unwillig dastehenden Bruder vor sich her, schloss auch diese Tür hinter sich und ließ sich in einen schwarzen Ledersessel fallen.
»Nimm Platz, bitte.«
»Warum sollte ich das machen? Und warum müssen wir uns unbedingt hier unterhalten?«
»Hier haben wir die Ruhe, die wir brauchen, und sind auf jeden Fall im Rest des Hauses nicht zu hören.«
»Wer sollte uns denn hören? Sag bloß, du hast Besuch?«
Thomas Blatter nickte.
»Ja, genau. Ich habe Besuch von einem total süßen Stricher, der in meinem Schlafzimmer herumlungert und darauf wartet, seine Kohle in Empfang nehmen zu dürfen, für die er mir letzte Nacht zwei Mal einen geblasen hat.«
Der Mann mit der Lederjacke sah seinen Bruder fassungslos an und ließ sich ebenfalls in einem der bequemen Ledersessel nieder.
»Spinnst du, mir so was zu erzählen? Ich will diese Schwulengeschichten nicht hören, und das weißt du auch ganz genau.«
»Es ist mir so was von egal, was du hören willst und was nicht, Bruderherz. Und es ist mir auch total egal, ob du mich erpressen willst oder nicht.«
Andreas Blatters Gesicht hatte sich bei jedem Wort etwas mehr in Richtung dunkelrot verfärbt.
»Was war das?«, fragte er ungläubig.
»Ich habe gesagt, dass ich mich nicht von dir erpressen lassen werde, Andreas. Nicht von dir und auch nicht von einem anderen deiner Spießgesellen.«
Nun lachte der Anführer der Black Crows laut los.
»Also entweder haben sie dir ins Gehirn geschissen, oder du glaubst blödsinnigerweise, dass du aus Versehen in einen
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