Bruchlandung
Kessel mit Zaubertrank gefallen bist.«
Nun musste auch der Strafverteidiger schmunzeln.
»Weder das eine noch das andere«, erwiderte er blasiert. »Ich habe mir nur so meine Gedanken über deinen Auftritt in der Kanzlei gemacht.«
»Und mit welchem Ergebnis?«
»Ach Gott, zuerst wollte ich mir das Leben nehmen, aber davon bin ich recht schnell wieder abgekommen. Irgendwie hänge ich zu sehr daran, glaube ich.«
»Interessant. Was kam danach?«
»Danach kam der Ärger darüber, dass mein eigen Fleisch und Blut mich erpresst. Mein eigen Fleisch und Blut will mich an die Justiz ausliefern, wenn ich ihm nicht willfährig ergeben bin.«
»Und?«
»Was soll ich sagen? Die gewonnenen Erkenntnisse sind recht schlicht, dafür aber umso wirkungsvoller.«
»Jetzt machst du mich wirklich neugierig.«
»Na ja, ich habe mich gewaltig geärgert über dich, aber ich bin zu der Erkenntnis gelangt, dass ich am Leben hänge, wie gesagt. Und ich bin weiterhin zu der Erkenntnis gelangt, dass ich in Zukunft ein genauso großer Mistkerl sein möchte wie du.«
Verständnisloses Kopfschütteln auf der anderen Seite.
»Na, das ist doch recht einfach zu verstehen, oder? Du weißt ein paar Dinge über mich, die besser unter uns bleiben sollten, und ich weiß ein paar Dinge über dich, die besser unter uns bleiben sollten.«
Er fing an zu grinsen.
»Irgendwie eine Pattsituation.«
Obwohl Andreas Blatter nach außen hin völlig ruhig blieb, war ihm doch anzumerken, dass er in seinem tiefsten Innern vor Wut bebte.
»So, so«, gab er mit leiser Stimme zurück. »In einer Pattsituation befinden wir uns also.«
»Siehst du das etwa anders?«
Ein desinteressiertes Schulterzucken.
»Und damit wir uns gleich ganz klar verstehen«, schob der Strafverteidiger nach, wobei seine Stimme an Schärfe zunahm, »ich will nie wieder in meinem Leben von einem deiner Vasallen angerufen werden mit der Bitte, ihn auf dem Polizeipräsidium oder im Gefängnis aufzusuchen. Diese Zeiten sind vorbei, und zwar ein für alle Mal.«
Andreas Blatter sah seinem Bruder ein paar Sekunden lang direkt und stechend in die Augen.
»Hoffentlich übernimmst du dich nicht mit dieser Dirty-Harry-Nummer, Bruderherz . Es könnte durchaus sein, dass du dich damit ein klein wenig, oder vielleicht sogar ein klein wenig mehr verhebst, und diese Geschichte ein paar Schuhnummern zu groß ist für einen Sesselfurzer wie dich.«
Thomas Blatter schüttelte selbstgefällig den Kopf.
»Das glaube ich nicht. Und selbst für den Fall, dass ich mich wirklich damit übernommen haben sollte, gibt es so etwas wie einen Rettungsanker für mich.«
»Und wie sieht der aus?«
»Na ja, man hört doch immer wieder von plötzlichen Todesfällen. Und da habe ich gedacht, ich gehe auf Nummer sicher und hinterlege meine gesammelten Erinnerungen an dich und deine Kumpane bei einem befreundeten Notar, der sie an die Behörden weiterreicht, falls mir etwas zustoßen sollte. Und dabei ist es egal, ob ich spurlos verschwinde, eines natürlichen Todes sterbe, gewaltsam sterbe oder die Todesursache sich nicht klären lässt.«
Wieder huschte ein Lächeln über sein Gesicht.
»Was zu der bizarren Konstellation führt, dass du, obwohl du mich, wenn ich deinen Blick gerade richtig deute, am liebsten sofort umbringen würdest, dafür sorgen musst, dass es mir gut geht. Du musst sogar dafür sorgen, dass es mir sehr gut geht.«
Wieder ein paar Sekunden des Schweigens.
»Ist das eigentlich mit deinem Berufsethos zu vereinbaren, was du hier abziehst?«
Thomas Blatters Gesicht wurde ernst, so ernst, dass sein Bruder zum ersten Mal seit vielen Jahren so etwas wie Respekt ihm gegenüber empfand.
»Was interessiert es mich, ob das mit meinem Berufsethos zu vereinbaren ist.«
Er beugte sich nach vorn.
»Du und Deinesgleichen«, fauchte er, »glauben immer, dass sie mit ihrer körperlichen Überlegenheit auch die Unbesiegbarkeit gepachtet haben, aber dem ist nicht so, wie du jetzt schmerzlich erfahren musst. Berufsethos? Dass ein ganz und gar unethischer Mensch wie du dieses Wort auch nur in den Mund nimmt, ist eine bodenlose Frechheit, Andreas. Du willst immer, dass sich jedermann vor dir fürchtet, weil du so stark bist, aber wenn sich mal jemand gegen dich wehrt, dann kommst du mit der Ethik. Die ganze Zeit kümmert ihr euch keinen Deut um die Gesetze, aber wenn ihr bei einer Straftat erwischt werdet, wollt ihr mit allen Mitteln, die euch zur Verfügung stehen, diese Gesetze angewendet sehen. Es
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