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Bruchlandung

Bruchlandung

Titel: Bruchlandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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zu.
    »Jetzt krieg dich mal wieder ein, Paul. Immerhin haben wir einen Deal mit ihm.«
    »Ich hab gar nichts mit diesem Drecksack!«, schrie Lenz. »Du hast einen Deal mit ihm gemacht, vergiss das nicht.«
    »Ja, ich habe den Deal mit ihm gemacht, das stimmt. Und ich will, im Gegensatz zu dir, wenigstens hören, was er uns zu erzählen hat.«
    »Ach, leck mich doch am Arsch«, brummte der Leiter der Mordkommission, griff sich seinen Stuhl und setzte sich möglichst weit von den anderen entfernt neben die Tür.
    »Also, jetzt kommt dein großer Auftritt«, beschied Hain dem ein wenig bedröppelt dreinblickenden Trosser. »Leg los mit deinem Knüller und überzeug mich und meinen Kollegen.«
    »Aber der «, deutete der Rocker auf Lenz, »lässt mich ab jetzt einfach in Ruhe, klar?«
    »Klar, versprochen.«

21
    Thomas Blatter fühlte sich gut wie seit Jahren nicht mehr. Auf dem Weg zum Bus pfiff er trotz der Kälte und der Glätte auf den Straßen und Bürgersteigen geradezu befreit durch die Zähne. So, wie er sich der Probleme mit seinem Bruder entledigt hatte, würde er es auch mit den Kollegen in der Kanzlei machen. Nicht auf die knallharte Tour wie bei dem Rocker, sondern eher gediegen. Er wusste, dass es für seine Kollegen mindestens genauso hart werden würde wie für ihn, wenn sie ihn wirklich bei den Behörden anschwärzen würden; eine Anwaltskanzlei, zumal eine alt eingesessene wie Dr. Frommert, Bosch und Blatter , lebte von ihrem guten Ruf und dem Vertrauen der Mandanten, in juristisch guten, aber auch diskreten Händen zu sein. Also würde alles auf einen Vergleich hinauslaufen. Einen Vergleich, bei dem er, Thomas Blatter, nur gewinnen konnte.
    Er würde sich auszahlen lassen, genau so würde er es machen. Vielleicht würden sie zucken, wenn er ihnen die Summe nennen würde, für die er sich aus der Kanzlei zurückziehen würde, aber letztendlich hatten sie gar keine andere Chance, als auf seine Wünsche einzugehen. Wenn es tatsächlich zu dem von ihnen angedrohten Eklat kommen sollte, müsste nicht allein er leiden, nein, auch sie müssten sich fragen lassen, warum sie so lang gewartet hatten, bevor sie ihn ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt hatten.
    Der nach außen hin so erfolgreiche und smarte Jurist trat einen Schritt zurück, um nicht vom aus den Radkästen des einfahrenden Busses hochspritzenden Wasser getroffen zu werden, und reihte sich anschließend in die Menge der Wartenden ein, die beim Einsteigen dem Fahrer ihre Fahrausweise vorzeigten. Im Bus angekommen ließ er sich auf den Sitz hinter dem Fahrrad- und Kinderwagenabteil fallen, sah ob der für ihn sehr erfolgreich verlaufenen letzten Stunden geradezu euphorisiert aus dem Fenster und begann, sich auf seinen möglicherweise letzten Tag als Knecht des Kapitals und der Juristerei zu freuen.
    Es war nie leicht gewesen für den erstgeborenen Sohn des erfolgreichen Kasseler Rechtsanwalts Hieronymus Blatter, der nach dem Krieg einer der Ersten war, der in Kassel eine Anwaltskanzlei gegründet und ständig weiter ausgebaut und vergrößert hatte. Schon als Primaner war ihm immer wieder erklärt worden, dass es für ihn nur einen einzigen Berufswunsch geben könnte, und zwar den des Juristen. So kam es, dass Thomas Blatter schon Jahre vor seinem Abitur wusste, dass er im Anschluss an die Reifeprüfung zunächst seinen Militärdienst ableisten und danach sofort das Studium der Rechtswissenschaften an der Johann-Wolfgang-von Goethe Universität in Frankfurt aufnehmen würde. Das mit dem Militärdienst erledigte sich nach einer für ihn zutiefst demütigenden Musterung, während der ihm vom Militärarzt auf den Kopf zugesagt wurde, dass der ihn wegen seiner Feingliedrigkeit und seiner androgynen Art in keinem Fall bei der Bundeswehr sehen wollte. Zu dieser Zeit war dem jungen Blatter längst klar, dass irgendetwas an ihm anders war als bei seinen Freunden und Mitschülern. Wenn die am Wochenende mit ihren Mopeds loszogen, um auf den Volksfesten der näheren und weiteren Umgegend dem anderen Geschlecht ihre Aufwartung zu machen, hatte er dafür nicht mehr als ein überlegenes Lächeln übrig. Ihn zog es nie zu den Petras, Heidis oder Monikas hin, nicht ein einziges Mal in seinem Leben. Thomas Blatter war angetan von Männern, und ein nackter, wenn möglich noch gut gebauter Männerkörper, hatte eine geradezu elektrisierende Wirkung auf ihn.
    So kam es, dass er, nachdem er sein Studium in Frankfurt aufgenommen hatte, wo er in die gleiche Verbindung

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