Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord
Vaternamen mit Stolz. Es gab anscheinend noch einige junge Leute, denen man den angemessenen Respekt vor den Namen großer Helden beigebracht hatte.
»Ihr Großvater war der Guimar de Massard, der bei der Eroberung von Jerusalem dabei war und der später in der Schlacht um Askalon gefangengenommen wurde und dort seinen Wunden erlag. Die Sarazenen haben seinen Helm und sein Schwert zurückgeschickt, und jetzt gehören sie Iveta. Sie hält sie in hohen Ehren.«
Ja, das hatten die Sarazenen getan, als Ehrung für einen tapferen Feind. Man hatte sie damals gebeten, den Kreuzrittern auch den Leichnam Massards zu übergeben, und die Bitte war mit Wohlwollen aufgenommen worden, aber dann hatten die ständigen Streitigkeiten unter den Christen dazu geführt, daß diese den Hafen Askalon verloren, und so waren die Verhandlungen um den Leichnam des Ritters im Sande verlaufen und schließlich vergessen worden. Seine ritterlichen Feinde hatten ihn in allen Ehren bestattet, und nun ruhte er im Heiligen Land. All dies hatte sich vor langer Zeit zugetragen, lange bevor diese jungen Leute geboren worden waren.
»Ich erinnere mich daran«, sagte Cadfael.
»Es ist eine Schande, daß man der letzten, die diesen großen Namen trägt, so übel mitspielt und sie um ihr Glück betrügt.«
»Da habt Ihr recht«, sagte Cadfael, nahm dem Topf vom Feuer und stellte ihn auf den gestampften Lehmboden.
»Und das muß aufhören«, sagte Joscelin erregt. »Es muß aufhören!« Mit einem tiefen Seufzer erhob er sich. »Es hilft nichts - ich muß zurück.« Er ließ den Blick über die Flaschen, Töpfe und gebündelten Kräuter schweifen, aus denen sich zahllose Arzneien bereiten ließen. »Habt Ihr nicht etwas hier, das ich in seinen Wein mischen könnte? In seinen oder in Picards Wein - für Iveta würde es keinen Unterschied bedeuten.
Wenn nur einer von beiden sterben würde, wäre sie frei. Und die Welt wäre ein Stück besser!«
»Wenn Ihr das ernst gemeint haben solltet«, sagte Cadfael mit Nachdruck, »dann setzt Ihr Eure Seele einer großen Gefahr aus, mein Sohn. Und wenn es nicht ernst gemeint war, dann hättet Ihr es verdient, daß man Euch die Ohren langzieht. Wenn Ihr nicht so groß wärt, würde ich es sogar versuchen.«
Ein kurzes, reumütiges Lächeln glitt über das Gesicht des Jungen. »Ich könnte mich ja zu Euch hinunterbeugen«, bot er Cadfael an.
»Ihr wißt ebensogut wie ich, daß Ihr niemals etwas so Heimtückisches wie einen Mord begehen könntet, und Ihr tut Euch großes Unrecht, wenn Ihr so etwas sagt.«
»Würde ich wirklich keinen Mord begehen?« sagte Joscelin leise. Auf seinem Gesicht war nicht die Spur eines Lächelns.
»Ich glaube, Ihr wißt gar nicht, wie großen Gefahren ich meine Seele aussetzen würde, wenn ich Iveta dadurch helfen könnte.«
Während der Komplet und auch danach, während der letzten halben Stunde vor dem Zubettgehen, die die Mönche in der Wärmestube verbrachten, dachte Cadfael über Joscelins Worte nach. Natürlich war es richtig gewesen, den jungen Mann zur Ordnung zu rufen und ihm mit Nachdruck zu sagen, daß er solche schwarze Gedanken, aus denen nichts Gutes entstehen konnte, von sich zu weisen hatte. Da er sich darauf vorbereitete, ein Ritter zu werden, durfte er nur Maßnahmen in Erwägung ziehen, die diesem Stand angemessen waren, und mußte alle anderen Pläne verwerfen. Was Joscelin darauf erwidert hatte, war nicht allein nur zu wahr, sondern zeugte auch von einigem Verstand: Er wäre ein großer Dummkopf, wenn er seinen Herrn nach den Regeln der Ritterschaft zum offenen Zweikampf herausfordern würde, denn Domville würde eine solche Unverschämtheit gar nicht weiter ernst nehmen, sondern ihn hinauswerfen lassen, und damit wäre die Sache erledigt. Und wie sollte er dann Iveta helfen?
Aber mußte das heißen, daß er tatsächlich imstande war, einen Mord ernsthaft in Erwägung zu ziehen? Cadfael dachte an das aufrichtige, braungebrannte Gesicht, das so völlig ungeeignet war, irgend etwas zu verbergen, und an die hitzige Art des jungen Mannes, der es gewiß nicht gewohnt war, Umwege zu gehen. Nein, Cadfael konnte nicht glauben, daß Joscelin zu einem Mord fähig war. Und doch - da war dieses zierliche blonde Mädchen mit seinem verzweifelten, resignierten Gesicht und seinen traurigen Augen. In zwei Tagen sollte die Hochzeit sein, und ihr Schicksal war so bedauernswert, daß ein oder zwei Tode erforderlich zu sein schienen, auch wenn dies vor Gott nicht zu rechtfertigen
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