Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord
Aber ist das recht, Bruder Cadfael? Ist das recht? Sie ist achtzehn Jahre alt, und ihr schaudert bei dem Gedanken an ihn, und doch scheint mir, daß er besser ist als das, was sie jetzt zu erdulden hat. Sie ist jetzt nicht glücklich, und sie wird es auch in ihrer Ehe nicht sein. Und ich liebe sie! Aber das ist ohne jede Bedeutung. Es ist nebensächlich - die Hauptsache ist, daß sie glücklich ist.«
»Hmmm!« brummte Cadfael mit leiser Skepsis und rührte in dem leise blubbernden Sirup. Ein süßer, aromatischer Duft erfüllte den Raum. »Das haben wahrscheinlich schon viele geschworen, wenn auch mit einem Auge auf ihren persönlichen Nutzen. Als nächstes, nehme ich an, werdet Ihr mir sagen, daß Ihr bereit seid, für sie zu sterben.«
Joscelin verzog das Gesicht zu einem jungenhaften Grinsen.
»Na ja, ich würde mich nicht danach drängen! Ich würde lieber für sie leben, wenn sich das machen ließe. Aber wenn Ihr mich fragt, ob ich alles, was in meiner Macht steht, tun würde, um sie zu befreien, damit sie sich für einen anderen Mann ihrer Wahl entscheiden kann, dann sage ich: Ja, das würde ich! Denn nicht sie hat sich für diesen Mann entschieden - sie fürchtet sich vor dieser Ehe, und sie wird gegen ihren Willen dazu gezwungen.«
Es war nicht nötig, diese Frage weiter zu verfolgen; nichts anderes hatten ihr Gesicht und ihre Haltung ausgedrückt, als Cadfael sie zum erstenmal sah.
»Und die, denen ihr Wohlergehen mehr am Herzen liegen sollte als allen anderen, gebrauchen sie für ihre eigenen, selbstsüchtigen Zwecke. Ihre Mutter - Picards Schwester -starb, als Iveta geboren wurde, und ihr Vater, als sie zehn Jahre alt war. Ihr Onkel als nächster Verwandter wurde, wie es üblich ist, zu ihrem Vormund bestellt. Aber was heißt da Verwandter? Oh, glaubt nicht, ich sei so blind, daß ich nicht wüßte, daß es nichts Neues ist, wenn ein Vormund bei seinem Mündel nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist, anstatt seine Mittel zu ihrem Wohl einzusetzen, und ihre Ländereien plündert, anstatt sie zu pflegen, damit sie auch in Zukunft ihren Wert behalten. Ich sage Euch, Bruder Cadfael: Iveta wird an meinen Herrn verkauft, weil sein Rat beim König Gehör findet und man durch ihn zu Ehren und Reichtümern kommen kann. Aber es geht noch um mehr.
Iveta werden einmal große Ländereien gehören. Sie ist die einzige, die den Namen Massard trägt, und der ganze Besitz der Familie wird an sie übergehen. Und ich habe den Verdacht, daß Domville und die Picards ausgehandelt haben, dieses Land, das einmal der stattliche Besitz eines Kriegshelden war, unter sich aufzuteilen. Ein großes Stück davon wird gewiß bei Picard bleiben, und er wird einiges von dem, was Domville gehören wird, ordentlich ausbeuten, bevor er es überschreibt.
Ein schlau eingefädeltes Geschäft - und ein schreiendes Unrecht, das man Iveta zufügt.«
Und jedes Wort, das er gesagt hatte, mochte stimmen. Derlei Dinge waren nichts Ungewöhnliches, wenn ein Kind verwaist und dadurch Erbe eines großen Besitzes geworden war, dachte Cadfael. Selbst wenn es sich um einen Jungen handelte, der noch klein war und niemanden zu seinem Schutz hatte, geschah es, daß man ihn ebenso skrupellos verheiratete wie ein Mädchen - und dies nur, weil seinem Vormund dadurch ein Vorteil erwuchs oder weil die Möglichkeit bestand, einen Rivalen zu demütigen oder Länderein zu vereinigen, so daß man sie besser bewirtschaften konnte. Aber bei Mädchen kam das öfter vor als bei Jungen, und bei ihnen war man weniger geneigt, Zweifel an der Richtigkeit dieses Verfahrens zu äußern. Nein, kein Adliger würde auch nur einen Finger rühren, um Iveta ihr Schicksal zu ersparen. Auf diesen Gedanken würde vielleicht nur ein junger Hitzkopf wie dieser kommen, auf sein eigenes und auf ihr Risiko.
Cadfael fragte nicht, was sie miteinander zu flüstern gehabt hatten, als er sie überrascht hatte. So zornig und sorgenvoll Joscelin auch sein mochte - er hegte noch immer eine schwache Hoffnung, soviel war gewiß. Es war besser, nicht danach zu fragen und auch nicht zuzulassen, daß er diese Hoffnung aussprach, selbst wenn er es anbieten sollte. Aber eines wollte Cadfael noch wissen. ›Die einzige, die den Namen Massard trägt‹, hatte Joscelin gesagt.
»Wie hieß ihr Vater?« fragte Cadfael und rührte in dem Sirup, der langsam dicker wurde. Vor der Komplet würde er den Topf beiseite stellen, damit er langsam abkühlte.
»Hamon Fitz Guimar de Massard.«
Er betonte den
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