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Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord

Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord

Titel: Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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war.
    Die ganze Angelegenheit ging Cadfael ebenso ans Herz wie Joscelin Lucy, denn hier ging es um Guimar de Massards Enkelin, die bis auf diese beiden Drachen, die sie bewachten, aller Verwandtschaft beraubt war. Und wie konnten die, die ihren Großvater gekannt und sein Andenken in Ehren gehalten hatten, die letzte der Massards untätig ihrem Schicksal überlassen? Nein, das war ebenso undenkbar, wie einen Kameraden verwundet und von Feinden umzingelt im Stich zu lassen.
    Schüchtern betrat Bruder Oswin die Wärmestube und ließ sich neben Cadfael nieder. »Habt Ihr den Sirup schon bereitet, Bruder? Es war mein Fehler, und ich möchte ihn wiedergutmachen. Ich werde morgen früh aufstehen und ihn in Flaschen füllen. Durch meine Dummheit habe ich Euch zusätzliche Arbeit aufgebürdet, und ich würde Euch gern etwas davon abnehmen.«
    Oswins Dummheit hatte Cadfael mehr Unannehmlichkeiten und Sorgen bereitet, als ihm bewußt war, aber wenigstens hatte er Cadfael daran erinnert, daß er außer der Einhaltung der Ordensregeln auch noch andere Pflichten hatte.
    »Nein, nein«, sagte Cadfael eilig. »Der Sirup ist sehr gut geraten. Er kühlt jetzt ab und dickt dabei ein. Nach der Prim wird Zeit genug sein, ihn in Flaschen zu füllen. Du wirst morgen vorlesen und darfst nur an deine Pflichten und an deine Textstelle denken.«
    Und laß die Finger von meinem Sirup, setzte er in Gedanken hinzu, als er sich in seine Zelle zurückzog, um zu beten.
    Plötzlich wurde ihm bewußt, wieviel Ähnlichkeit Bruder Oswins große Hände mit denen von Joscelin Lucy hatten. Und doch richteten die des einen nur Unheil an, während die des anderen trotz ihrer Größe außerordentliches Geschick bewiesen, sei es an den Zügeln eines großen, gescheckten grauen Pferdes, sei es mit Schwert oder Lanze, sei es beim Umarmen eines zarten, unglücklichen Mädchens.
    Ob sie wohl ebenso geschickt waren, wenn es darum ging, einen Mord zu verüben?
    Cadfael erwachte geraume Zeit vor der Prim. Er füllte den abgekühlten Hustensirup in Flaschen und brachte eine davon dem Bruder Krankenpfleger. Bei Tagesanbruch war es neblig und mild, aber windstill. Alle Geräusche und Bewegungen waren weich und gedämpft, nichts Ungewöhnliches ereignete sich auf dem großen Klosterhof; man ging wie jeden Tag seiner Arbeit nach, die nur durch die Prim, das Frühstück, die erste Messe, an der auch die Diener und Laienbrüder teilnahmen, und die zweite Messe unterbrochen wurde. Danach fand die tägliche Kapitelversammlung statt, die diesmal kürzer ausfiel als sonst, da für die morgige Hochzeit noch viel vorzubereiten war. So entstand eine recht lange Pause bis zum Hochamt um zehn Uhr, und Cadfael nutzte die Gelegenheit, um in seinen Kräutergarten zu gehen und dort zu überlegen, bei welchen Arbeiten Bruder Oswins gutgemeinte Zerstörungswut heute nachmittag wohl am wenigsten Schaden anrichten könnte. Die meisten Beete waren bereits abgeerntet und mußten vor dem ersten Frost umgegraben werden.
    Es war noch vor zehn Uhr, und die Klosterbrüder, Schüler, Gäste und Stadtbewohner versammelten sich zum Hochamt, als Cadfael zum Klosterhof zurückkehrte. Die Picards traten gerade aus dem Gästehaus. Iveta ging stumm und schüchtern zwischen ihrem Onkel und ihrer Tante, wirkte aber - oder jedenfalls kam es Cadfael so vor - gefaßt, als habe ein leiser, kühlender Wind die lastende Stille ihrer Verzweiflung vertrieben und sie mit der Hoffnung erfüllt, es könne vielleicht doch noch ein Wunder geschehen. Die ältliche Zofe, deren Gesicht ebenso streng und abweisend war wie das ihrer Herrin, ging dicht hinter ihr. Das Mädchen war nach allen Seiten abgeschirmt.
    In Begleitung von Bruder Denis, dem Aufseher des Klosterhospitals, gingen sie gemächlich auf das Südportal der Kirche zu, als die feierliche Stille von wildem Hufgetrappel zerrissen wurde, das sich vom Torhaus her näherte. Ein Reiter auf einem gescheckten grauen Pferd galoppierte mit einer solchen Geschwindigkeit auf den Hof, daß er fast den Pförtner niedergeritten hätte und die Diener auseinanderstoben wie Hennen vor dem Fuchs. Er hielt sein Pferd so abrupt an, daß die Hufe ein kleines Stück über die feuchten Pflastersteine schlitterten, ließ die Zügel los und sprang aus dem Sattel. Die blonden Haare des Reiters standen in alle Himmelsrichtungen, und seine blauen Augen blitzten, als er sich breitbeinig und mit vorgerecktem Kinn Godfrid Picard in den Weg stellte - ein junger Mann mit einer unbezähmbaren

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