Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord
werden, wenn wir ihn gefaßt haben. Ich habe alle Männer ausgeschickt, die ich entbehren kann.«
»Auch meine Männer stehen zu Eurer Verfügung«, bot Picard ihm an, »und auch die von Huon de Domville. Wir alle sind verpflichtet, seinen Mörder zu stellen. Ihr zweifelt doch gewiß nicht daran, daß Joscelin Lucy sein Mörder ist?«
»Es scheint auf der Hand zu liegen. Diese Tat scheint aus einem verzehrenden Haß geboren zu sein, und wir wissen nicht, wer als Täter außerdem in Frage käme.«
Cadfael kümmerte sich weiterhin um Iveta, aber nichts von dem, was gesagt wurde, entging ihm: Weder die knappen Worte des Abtes noch Picards rachsüchtige Ausbrüche oder die besonnenen Bemerkungen, die Prestcote über die fortgesetzte und ausgeweitete Suche nach Joscelin Lucy machte - der junge Mann wurde jetzt von allen verfügbaren Männern gejagt. Plötzlich sah Cadfael, daß die Farbe in Ivetas Gesicht zurückkehrte, und er bemerkte das zarte Flattern der Augenlider und das Beben der Schatten, den die langen, goldblonden Wimpern auf die Backenknochen warfen. Sie schlug ihre irisblauen Augen auf und sah ihn mit verständnislosem Sc hrecken an. Ihre Lippen öffneten sich. Wie zufällig legte er seinen Finger darauf und schloß kurz seine Augen. Die Gefahr, in der Joscelin schwebte, schärfte ihre Sinne weit mehr als die fast ausweglose Situation, in der sie selbst steckte. Ihre Augenlider, die von feinen Adern durchzogen waren wie die Blüten von Glockenblumen, senkten sich wieder, und sie lag da wie eine Bewußtlose, zeigte jedoch die ersten Anzeichen des Erwachens.
»Sie kommt gleich wieder zu sich. Wir können sie jetzt hineinbringen.«
Cadfael hob sie auf, bevor Picard oder Simon oder irgendein anderer ihn daran hindern konnte.
»Wenn sie erwacht ist, sollte sie sich einige Stunden ausruhen. Es war eine tiefe Ohnmacht.« Er staunte, wie leicht sie war - gewiß wogen ihre kostbaren Gewänder mehr als sie selbst. Und obwohl Iveta, dieses zierliche Geschöpf, so heldenhaft für Joscelin Lucy eingetreten war, schien sie, was ihr eigenes Schicksal betraf, resigniert zu haben. Selbst eine Anklage wegen Diebstahls, selbst eine Zelle in der Burg spendeten ihr anscheinend Trost, wenn dadurch die unendlich viel schwerere Anklage wegen Mordes vermieden werden konnte. Wenn sie wieder zu Bewußtsein gekommen war, würde sie zwischen der Angst um Joscelins Leben, das infolge dieses Mordes tatsächlich auf dem Spiel stand, und der Hoffnung, es könne ihm gelingen, zu fliehen, da er bis jetzt ja noch auf freiem Fuß war, hin und her gerissen werden. So, wie die Dinge lagen, konnte Iveta de Massard hoffen - aber wie lange noch?
»Würdet Ihr mir den Weg zeigen, Mylady...?«
Agnes raffte ihr kostbares Gewand und ging ihm voraus in ihr eigenes Gemach im Gästehaus. Man konnte nicht behaupten, dachte Cadfael, daß ihr nichts an ihrer Nichte lag. Schließlich stellte Iveta ihr größtes Kapital dar, und ihren weltlichen Besitz zu verteidigen, war sie immer bereit. Ihr hervorstechendstes Gefühl Iveta selbst gegenüber war jedoch Ungeduld und Mißbilligung. Zu dieser Stunde hätte sie bereits verheiratet sein sollen, und damit wäre ein einträgliches Geschäft besiegelt gewesen. Andererseits stellte sie immer noch einen erheblichen Wert dar, mit all den von ihrem Vater ererbten Besitztümern, Vorrechten und Wertgegenständen, zu denen auch das Schwert und der Helm des Paladins Guimar de Massard gehörten. Beides hatten die edelmütigen Sarazenen den Kreuzrittern zurückgegeben, und beide Erbstücke waren vermutlich die einzigen Gegenstände in Ivetas Besitz, die Picard nicht begehrte.
»Legt sie hier auf das Bett.« Agnes hatte, wie ihre mißtrauisch zusammengekniffenen Augen verrieten, keineswegs vergessen, daß er der Klosterbruder war, über dessen Mitwisserschaft sie beim Abt Klage geführt hatte; aber das war nun ohne Bedeutung, da Joscelin Lucy als Mörder gesucht wurde und Agnes' Seelenfrieden nicht mehr gefährden konnte. »Gibt es noch irgend etwas, das ich tun könnte?« Iveta lag auf ihrem zugedeckten Bett und seufzte leise. So viel Gold, dachte Cadfael, - als sei sie kein Mensch, sondern ein Schmuckstück.
»Wenn Ihr mir einen kleinen Becher geben könntet, damit ich ihr etwas von diesem Kräuterauszug einflößen kann, wenn sie wieder bei Bewußtsein ist. Es ist ein gutes, bitteres Stärkungsmittel und verhindert weitere Ohnmachtsanfälle. Und außerdem wäre es, glaube ich, gut, wenn es hier etwas wärmer wäre.
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