Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord
durch die Luft geflogen ist. Wahrscheinlich werden wir den Abdruck des Seils auf seiner Kehle finden.«
Schweigend folgten sie ihm zum Leichnam und sahen entsetzt zu, als er den Kragen des Mantels aufschlug und Domvilles Kehle freilegte. Unter dem Bart am fleischigen, muskulösen Hals war nicht nur der dunkelrote Einschnitt zu sehen, den das Seil hinterlassen hatte, sondern auch der dunkel angelaufene Abdruck zweier Hände. Die beiden Daumen hatten übereinander auf dem Adamsapfel gelegen, und, wie der Bluterguß, der sich dort gebildet hatte, bewies, den Kehlkopf eingedrückt.
Sie starrten noch in entsetztem Schweigen auf den Toten, als sich verschiedene Stimmen, von denen die des Sheriffs die lauteste war, auf dem Weg näherten. Die vier auf der Lichtung hatten einen grausigen Fund gemacht, aber bisher wußten nur sie, wie ungeheuerlich dieses Verbrechen war.
Cadfael schloß den Kragen über dem Hals des Toten und wandte sich mit seinen Gefährten Gilbert Prestcote und seinen Männern zu.
Nachdem der Sheriff alles in Augenschein genommen hatte, was Cadfael ihm zu zeigen hatte, hob man Huon de Domville auf eine Tragbahre und bedeckte sein Gesicht mit einem Zipfel des Mantels. Wo er gelegen hatte, steckte man ein aus zwei Stöcken gefertigtes Kreuz in den Boden, um die Stelle später besser wiederzufinden und noch einmal absuchen zu können.
Dann trug man ihn zurück, allerdings nicht zum Haus des Bischofs, sondern zum Kloster, wo er von den Mönchen, die eigentlich Zeugen seiner Trauung hätten sein sollen, hergerichtet und in der Einsegnungskapelle aufgebahrt werden würde.
Bran, der, wenn er seine Kutte ablegte, zumindest auf den ersten Blick nicht von den anderen Kindern aus der Klostersiedlung zu unterscheiden war, kehrte von einem Erkundungsgang auf der Straße zurück, um den beiden großen, verschleierten Männern, die, ihre Klappern im Gürtel, an der Friedhofsmauer saßen, Bericht zu erstatten: »Sie haben ihn gefunden. Ich habe gesehen, wie sie ihn zurücktrugen. Sie haben ihn am Haus des Bischofs vorbeigetragen, und ich habe mich nicht getraut, ihnen weiter zu folgen.«
»Tot oder lebendig?« fragte Lazarus in seiner bedächtigen, durch das verwaschene blaue Gesichtstuch gedämpften Stimme. Der Junge hatte bereits Bekanntschaft mit dem Tod gemacht - es war nicht nötig, vorsichtige Umschreibungen zu gebrauchen.
»Sein Gesicht war zugedeckt«, sagte Bran und setzte sich neben die Männer auf den Boden. Er spürte das angespannte Schweigen des anderen, neuen Mannes, von dem man nur wußte, daß er jung und gesund war, und fragte sich, warum er zitterte.
»Sprich nicht«, sagte Lazarus ruhig. »Du hast eine Atempause und sie ebenfalls.«
Die Männer des Sheriffs setzten die Bahre im großen Hof des Klosters ab, und alle, die Huon de Domville gekannt hatten, eilten aufgeregt herbei und bildeten mit entsetzt geweiteten Augen einen stummen Kreis um den Leichnam. Keiner außer dem Sheriff, seinen Männern und Abt Radulfus, der sich energisch einen Weg durch die Menge bahnte, wagte es, näher heranzutreten. Picard kam mit einem wider alle Vernunft hoffnungsvollen Gesicht aus dem Gästehaus gestürzt und erstarrte beim Anblick der verhüllten Gestalt. Zögernd folgten ihm die beiden Frauen. Iveta sah aus, als werde sie im nächsten Augenblick unter dem Gewicht ihrer golddurchwirkten Gewänder zusammenbrechen, trat aber an die Bahre, ohne die Augen abzuwenden. Sie wollte Gewißheit haben. Dieser Tod mochte entsetzlich sein, aber für sie bedeutete er Leben.
Warum hatte sie gestern ihre wahren Gefühle verborgen?
»Ehrwürdiger Vater«, sagte Prestcote, »wir bringen traurige Nachrichten. Mylord Domville ist tot. Diese Brüder Eures Klosters haben ihn gefunden. Er ist auf dem Waldweg, der nach Beistan führt, vom Pferd gestürzt. Sein Pferd graste unversehrt ein Stück weiter - es steht jetzt wieder in seinem Stall. Huon de Domville wurde abgeworfen und schlug mit dem Kopf gegen eine Baumwurzel. Es scheint, als sei er auf dem Heimweg gewesen, als das geschah. Ich bitte Euch, für seine Seele zu beten und Euch seines Leichnams anzunehmen, bis alles weitere geklärt ist. Unter den Hochzeitsgästen ist sein Neffe, und auch der Kanonikus ist ein Verwandter von ihm...«
Simon stand stumm neben der Bahre. Er sah die reglose Gestalt zu seinen Füßen an, neigte den Kopf und schluckte hart.
»Die Ereignisse dieses Tages haben eine schlimme Wendung genommen«, sagte Radulfus ernst. »Unser Beileid gilt allen,
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