Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord
Euch gebe, was Ihr braucht.«
»Würdet Ihr mir dann noch einmal eine solche Dosis geben?
Ich glaube nämlich, daß ich sie heute nacht brauchen werde.«
Das war keine Lüge, sondern eher eine bewußte Irreführung, und Iveta errötete, weil sie die Bereitwilligkeit dieses blonden Jünglings, der so unschuldig war wie ein Küken, schamlos ausnutzte. »Oder vielleicht sogar die doppelte Dosis, damit es für zwei Nächte reicht? Ich weiß genau, wieviel er mir verschrieben hat.«
Bruder Oswin war so hingerissen, daß er ihr alle Arzneien gegeben hätte, die im Schuppen zu finden waren. Seine Hand zittert etwas, als er ein kleines Fläschchen füllte und mit einem Korken verschloß, und als sie schüchtern die Hand ausstreckte, um es in Empfang zu nehmen, fiel ihm gerade noch rechtzeitig - und doch schon fast zu spät für seinen Seelenfrieden - ein, daß es sich für einen Mönch ziemte, in Gegenwart einer Frau die Augen niederzuschlagen.
Es war alles sehr schnell vorbei. Sie flüsterte ihren Dank, sah nervös über ihre Schulter zurück, als fürchte sie, jemand könne sie beobachtet haben, und verbarg das Fläschchen geschickt in ihrem Ärmel. Oswins Hände und Füße schienen wieder so unbeholfen zu sein wie vor einigen Jahren, als er noch ein pickliger Junge gewesen war, aber der Blick, den sie ihm zum Abschied zuwarf, gab ihm das Gefühl, groß, männlich und schön zu sein. Zögernd trat er vor die Tür, sah ihr nach, als sie eilig über die kleine Brücke lief, und fragte sich, ob seine Entscheidung, ins Kloster einzutreten, nicht etwas voreilig gewesen war. Aber er konnte seine Meinung ja noch ändern.
Bis jetzt hatte er die Ewigen Gelübde noch nicht abgelegt.
Diesmal schlug er seine Augen erst nieder, als Iveta hinter der Hecke verschwunden war. Einige Minuten lang stand er da, dachte nach und kam schließlich zu dem traurigen Ergebnis, daß es in jedem Leben Nachteile gab. Weder im Kloster noch in der Welt draußen konnte ein Mann alles haben.
Iveta lief zu der Steinbank, wo sie vor der leichten Brise geschützt war, und saß mit gefalteten Händen und teilnahmslosem Gesicht da, als Madien kam, um sie zu holen.
Gehorsam erhob sie sich und folgte der Zofe ins Gästehaus, wo sie ohne große Begeisterung eine Stickarbeit wieder aufnahm, hinter der sie sich schon seit Wochen verschanzt hatte, wenn sie auch nicht so fleißig war, daß sie nachts auftrennen mußte, was sie tagsüber gestickt hatte, wie jene Lady Penelope, von der ihr ein fahrender Spielmann vor langer Zeit, im Haus ihres Vaters, erzählt hatte.
Sie wartete, bis das Licht nachließ und es fast Zeit war, zum Vespergottesdienst zu gehen. Agnes hatte das ausgebesserte Gewand angelegt, und Madien flocht ihr die Haare. Während Sir Godfrid Picard mit wilder Entschlossenheit einen flüchtigen Mörder suchte, war es die Aufgabe seiner Frau, den Eindruck religiöser Hingabe aufrechtzuerhalten und den Gottesdiensten beizuwohnen, um sich ihres Ansehens bei Abt, Prior und Klosterbrüdern zu versichern.
»Du solltest dich langsam umziehen, Kind«, sagte sie und warf ihrer Nichte einen mahnenden Blick zu.
Iveta ließ ihre Hände gleichgültig in den Schoß sinken und spürte das Fläschchen an ihrem Handgelenk. »Ich glaube, ich werde heute abend nicht am Gottesdienst teilnehmen. Mein Kopf ist so schwer, und ich habe schlecht geschlafen. Ich würde lieber hierbleiben, mit Madien zu Abend essen und früh zu Bett gehen.« Selbstverständlich würde Madien bleiben, um sie zu bewachen, aber dafür hatte sie vorgesorgt.
Agens zuckte die Schultern. Der Ausdruck ihres scharfgeschnittenen Gesichtes verriet Geringschätzung. »Du läßt dich in letzter Zeit sehr gehen. Nun gut, dann bleib hier, wenn dir das lieber ist. Madien wird dir einen Schlaftrunk bereiten.«
Es war geglückt. Agnes ging zum Gottesdienst, ohne Verdacht geschöpft zu haben. Die Zofe stellte in Ivetas Schlafzimmer einen kleinen Tisch auf und brachte Brot, Fleisch und warme Milch, die mit Wein und Honig vermischt war und sich ideal dazu eignete, den Geschmack von Bruder Cadfaels süßem Mohnsirup zu überdecken. Madien mußte zwei-oder dreimal gehen, bevor alles bereitstand und sie sich mit Iveta zum Essen setzen konnte, und das Mädchen hatte genug Zeit, einen großen Schluck vom Becher der Zofe zu nehmen und ihn durch den Inhalt von Oswins Fläschchen zu ersetzen. Iveta aß wenig und nippte nur an ihrer Milch, sah aber mit Zufriedenheit, daß die Zofe ihren Becher mit offensichtlichem
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