Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord
Genuß leerte.
Auch sie hatte nicht viel gegessen, und das würde die Wirkung des Schlaftrunks noch verstärken.
Madien trug die Teller in die Küche des Gästehauses - und kehrte nicht zurück. In ängstlicher Erregung wartete Iveta zehn Minuten und ging dann nachsehen. Die Zofe lag auf einer Bank in der Ecke der Küche und schnarchte.
Iveta nahm sich nicht die Zeit, Schuhe und Mantel anzuziehen, sondern lief so, wie sie war, in ihren leichten Schuhen hinaus in den Abend. Sie rannte wie ein junger Hase und ohne rechts oder links zu sehen, quer über den großen Hof und durch die von dunkelgrünen Hecken begrenzte Allee in den Garten. Vor ihr glitzerte das silberne Band des Baches. Sie tastete nach dem Geländer der kleinen Brücke. Die ersten Sterne funkelten am leicht dunstigen Himmel, während sich im Westen noch das letzte bleiche Licht des Tages hielt. Die Luft war kühl und frisch und berauschend wie Wein. In der Kirche wurden langsame, getragene Choräle gesungen. Sie dankte Gott und Simon, ihrem einzigen treuen Freund...
Tief im Schatten unter dem weit herabgezogenen Dach des Schuppens im Kräutergarten wartete Joscelin. Er fing sie mit beiden Armen auf und drückte sie leidenschaftlich an sich. Sie schwiegen einen langen Augenblick, klammerten sich verzweifelt aneinander und wagten kaum zu atmen. Es herrschte vollkommene Stille, als hätten der Mühlkanal, der Meole-Bach, ja selbst der Fluß aufgehört zu fließen, als wehe kein Wind mehr, als hätten selbst die Pflanzen aufgehört zu wachsen.
Aber dann forderte die Dringlichkeit der Situation ihren Tribut, und selbst für die gestammelten Liebesschwüre blieb keine Zeit.
»Oh, Joscelin..., du bist es wirklich...«
»Meine Liebe, meine Liebste... Still, sei leise! Komm, komm schnell! Hier entlang..., nimm meine Hand!«
Sie gehorchte und folgte ihm. Er führte sie nicht den Weg, den sie gekommen war, sondern weiter vom Kloster weg durch den Kräutergarten. Sie verließen den Garten und rannten über das frisch gepflügte Erbsenfeld hinunter zum Meole-Bach. An der Hecke blieben sie einen Augenblick stehen und lauschten auf etwaige Geräusche, aber alles war still. Sie beugte sich zu seinem Ohr und flüsterte: »Wie bist du hinübergekommen? Und wie sollen wir beide...?«
»Still! Briar wartet auf der anderen Seite - hat Simon dir das nicht gesagt?«
»Aber der Sheriff hat überall Posten aufgestellt«, flüsterte sie und erschauerte. »Sie werden uns sehen.«
»Im Wald... im Dunkeln? Nein, wir werden ihnen entkommen!« Er legte seinen Arm um sie, und gemeinsam gingen sie, dicht an der Hecke entlang, den sanften Abhang hinunter auf den Bach zu.
Plötzlich wurde die Stille von einem lauten Wiehern zerrissen.
Wie versteinert blieb Joscelin stehen. Unten am Ufer raschelte es im Gebüsch, Hufe stampften, ein Mann schrie auf. Verwirrte Stimmen wurden laut, und Briar sprang aus dem Dickicht ins Freie. Ein Mann hatte sich an seinen Zügel gehängt, und mindestens vier andere folgten ihm. Sie sprangen hin und her, um den Hufen des Pferdes auszuweichen, das sie zu bändigen und zu beruhigen versuchten.
Bewaffnete Männer des Sheriffs tauchten am Ufer auf und versperrten Joscelin und Iveta den Weg in die Freiheit. Dieser Fluchtweg war ihnen abgeschnitten, Briar war entdeckt worden.
Ohne ein Wort wandte Joscelin sich um, zog Iveta mit sich und hastete im Schutz der Hecke den Weg zurück, den sie gekommen waren.
»Die Kirche«, flüsterte er, »die Gemeindetür...« Selbst wenn der Vespergottesdienst noch im Gange war, würden alle im Chor sitzen, und das Hauptschiff der großen Kirche würde unbeleuchtet sein. Vielleicht gelang es ihnen, die Kirche ungesehen von der Klosterseite her zu betreten und durch die Westtür wieder zu verlassen, die als einzige auf die Hauptstraße führte und nur in Zeiten von Gefahr oder Unruhen verschlossen wurde. Joscelin wußte nur zu gut, daß dies lediglich eine schwache Hoffnung war, aber wenn es zum Schlimmsten kam, konnten sie in der Kirche Asyl suchen.
Ihre rasche Flucht hatte sie verraten. Unten am Wasser, wo Briar jetzt schnaubend und zitternd stillstand, rief eine Stimme:
»Dort läuft er, zum Garten! Jetzt sitzt er in der Falle! Kommt, mir nach!« Ein anderer lachte, und drei oder vier Männer liefen ohne sonderliche Eile den Abhang hinauf. Sie waren sich ihrer Beute offenbar sehr sicher.
Joscelin und Iveta flohen Hand in Hand durch den Kräutergarten, über den Mühlkanal, den Pfad zwischen den schwarzen,
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