Bruder Cadfael Und Der Hochzeitsmord
seinen Besuch, und hatte festgestellt, daß diese nicht nur gastfreundlich, sondern auch einem Schwätzchen nicht abgeneigt war. Es kamen nur wenige Besucher dorthin, und Cadfael war immerhin ein Bruder desselben Ordens. Sie hatte ihn nicht gehen lassen wollen, bevor sie nicht alles über die gescheiterte Hochzeit und die darauf folgende Aufregung erfahren hatte, und Cadfael war seinerseits nicht geneigt gewesen, das Glas Wein, das ihm angeboten wurde, abzulehnen. So kam es, daß er etwas später aufgebrochen war, als er vorgehabt hatte.
Als er sein Maultier bestieg und zum Tor hinausritt, war Avice von Thornbury noch immer damit beschäftigt, Setzlinge einzupflanzen. Das Beet war fast voll, und sie trat die Erde um die kleinen Pflänzchen ebenso energisch und zufrieden fest wie zuvor. Mit derselben Zielstrebigkeit würde sie die Stufen der Hierarchie erklimmen, denn sie war ebenso aufrichtig und ehrlich wie ehrgeizig, würde aber kaum Rücksicht auf ihre schwächeren Schwestern nehmen, die es aus Mangel an Intelligenz, Energie und Erfahrung nicht so weit bringen würden wie sie. Sie winkte Cadfael freundlich zu, und für einen Augenblick erschienen wieder die Grübchen in ihren Wangen.
Er dachte darüber nach, daß diese Spuren ehemaliger Schönheit unauslöschlich waren, und fragte sich, ob es besser für sie sein würde, dieses verschmitzte Lächeln, das auf Bischöfe irritierend wirken mußte, zu unterdrücken, oder ob es sich nicht vielmehr als eine brauchbare Waffe erweisen würde.
Er mußte sich eingestehen, daß er große Achtung vor ihr hatte.
Wenn sie vor Gericht mit derselben Aufrichtigkeit auftrat wie ihm gegenüber, würde niemand wagen, ihre Aussage anzuzweifeln. Ohne Eile machte er sich auf den Heimweg und überließ das Tempo dem Maultier. Etwa zur Vesperzeit trabte er an der Stelle vorüber, an der Huon de Domville ermordet worden war. Er erkannte die Eiche wieder, und einige Minuten später, als die Wiesen am Bach bereits durch die Bäume zu sehen waren, hörte er ein raschelndes Geräusch zu seiner Rechten, das in einiger Entfernung mit ihm Schritt hielt. Die Vorsicht gebot ihm, sein Maultier anzuhalten und zu lauschen.
Das Rascheln war noch immer deutlich zu hören, und wer es auch war, der da durch den Wald lief, er gab sich jedenfalls keine Mühe, seine Anwesenheit zu verbergen.
Das war beruhigend, und Cadfael setzte seinen Weg leise und mit gespitzten Ohren fort. Hier und dort, wo die Büsche in größerem Abstand standen, sah er den silbrigen Schimmer des Tieres, das ihn begleitete. Es war ein schlankes und gewiß recht schnelles Pferd, fahl wie ein Geist. In der Heiligen Schrift, dachte er, war es der Tod, der ein fahles Pferd ritt. Der Tod jedoch schien irgendwo abgestiegen zu sein, denn der reich verzierte Sattel war leer, und die Zügel hingen lose herab.
Nun stieg auch Cadfael ab, nahm das Maultier am Zügel und führte es in die Büsche auf das Pferd zu. Er lockte es leise, aber obwohl es ihn schon eine ganze Weile begleitet hatte, schien es Angst zu haben und wich vor ihm zurück. Geduldig folgte Cadfael ihm, aber sobald er zu nahe kam, trabte das graue Pferd tiefer in den Wald hinein. Hier hatten die Männer des Sheriffs am Nachmittag nach Joscelin Lucy gesucht, und gewiß waren sie erst kürzlich, gegen Einbruch der Dunkelheit, auf dem Heimweg hier vorbeigekommen. Jeder hatte sich seinen eigenen Weg gebahnt, und einer von ihnen war entweder abgeworfen worden und hatte, da er sein Pferd nicht hatte einfangen können, seinen Weg zu Fuß fortsetzen müssen, oder aber...
Plötzlich trat das Pferd mit graziösen Schritten in das vergleichsweise helle Licht einer kleinen, grasbewachsenen Lichtung, senkte den Kopf, um einige Grashalme abzurupfen, schreckte aber wieder hoch, als Cadfael näher kam, und verschwand unter den Bäumen auf der anderen Seite. Diesmal aber folgte er ihm nicht.
Auf der Lichtung lag ein Mann auf dem Rücken. Sein gelockter Bart zeigte in den Himmel, das lange schwarze Haar hing ihm in Strähnen über das Gesicht, seine Arme waren ausgebreitet, und seine Finger hatten sich ins Gras gekrallt.
Seine Kappe aus rotem Brokat war zu Boden gefallen und zog nur durch die weiße Feder, die darin steckte, Cadfaels Aufmerksamkeit auf sich. Einige Schritte von der rechten Hand entfernt funkelte etwas Langes, Dünnes metallisch im Licht der ersten Sterne. Vorsichtig tastete Bruder Cadfael danach und fand einen Dolch mit einer zwei Handbreit langen Klinge. Er strich mit
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