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Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Titel: Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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eigentlich sollten. Giles ist fünf Jahre älter als ich und hatte immer schon seinen eigenen Freundeskreis. Als ich elf oder zwölf war, hatte er das Haus schon verlassen und kam nur zurück, um sich mit meinem Vater zu streiten. Aber er ist mein einziger Bruder. Und es heißt, daß unter den Toten einer ist, den niemand kennt.«
    »Es ist bestim mt nicht Giles«, erklärte Hugh mit Bestimmtheit.
    »Und wenn er es doch ist? Dann muß ich mich um ihn kümmern.« Sie hatte sich entschlossen. »Ich muß hingehen.«
    »Ich bin anderer Meinung. Aber wenigstens solltet Ihr nicht alleine gehen.« Er rechnete damit, daß sie jetzt sagen würde, ihre Zofe werde sie begleiten, aber statt dessen antwortete sie, ohne zu zögern: »Ich werde Constance nicht an diesen Ort des Schreckens mitnehmen! Sie hat keinen Verwandten unter den Toten, und warum sollte sie erleiden, was ich auf mich nehme?«
    »Dann werde ich Euch begleiten, wenn Ihr nichts dagegen habt.«
    Ihr besorgtes Gesicht hellte sich auf, sie sah ihn voller Überraschung, Hoffnung und Dankbarkeit an. Dennoch zögerte sie, das Angebot anzunehmen. »Das ist sehr freundlich von Euch, aber ich kann es nicht zulassen. Warum solltet Ihr Euch dem aussetzen, nur weil ich eine Pflicht zu erfüllen habe?«
    »Um mich macht Euch keine Sorgen!« erwiderte er. Er war sich jetzt ihrer und seiner selbst sehr sicher. »Ich werde keinen Moment Ruhe finden, wenn Ihr mich zurückweist und alleine geht. Wenn Ihr mir jedoch sagt, daß ich Euch mit meiner Beharrlichkeit nur lästig bin, werde ich schweigen und Euch gehorchen. Aber nur dann.«
    Sie brachte es nicht über sich. Ihre Lippen zitterten. »Nein – das wäre gelogen. Ich bin nicht sehr tapfer!« sagte sie traurig.
    »Ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr mich begleiten würdet.«
    Er hatte erreicht, was er wollte; jetzt kam es darauf an, das Bestmögliche aus dieser Situation zu machen. Warum reiten, wenn ein Fußmarsch durch die Stadt viel länger dauerte und er dadurch auch mehr Zeit hatte, sie kennenzulernen? Hugh Beringar ließ sein Pferd in den Stall bringen und ging zusammen mit Aline die Straße hinunter und über die Brücke nach Shrewsbury.
    Bruder Cadfael stand bei der Bahre, auf der der Ermordete lag, gleich neben der Tür, so daß jeder, der unter den Toten nach einem Verwandten suchte, direkt an ihm vorbei mußte und von ihm befragt werden konnte. Aber bis jetzt hatte jeder nur halb mitleidig, halb erleichtert den Kopf geschüttelt. Niemand kannte den jungen Mann.
    Prestcote hatte Wort gehalten. Es wurde keine Liste der Kommenden geführt, niemand wurde behindert oder mit Fragen belästigt. Der Burgverwalter wollte die Erinnerung an die Rache des Königs so schnell wie möglich tilgen. Die Wache unter dem Kommando von Adam Courcelle hatte Anweisung, sich im Hintergrund zu halten und sogar, wenn nötig, Hand anzulegen, damit diese unerwünschten Gäste möglichst noch vor Einbruch der Dunkelheit aus der Burg geschafft werden konnten.
    Cadfael hatte jeden Mann der Wache gebeten, sich den Unbekannten anzusehen, aber keiner von ihnen konnte ihn identifizieren. Courcelle hatte einen langen, finsteren Blick auf den Toten geworfen und den Kopf geschüttelt.
    »Ich kann mich nicht erinnern, ihn schon einmal gesehen zu haben. Welchen Grund könnte es nur geben, einen jungen Burschen wie diesen so zu hassen, daß man ihn aus der Welt schafft?«
    »Morde geschehen nicht nur aus Haß«, sagte Cadfael grimmig.
    »Wegelagerer töten Menschen, die sie nicht einmal kennen, Menschen, von denen sie nicht wissen, ob sie sie mögen oder hassen würden.«
    »Aber was kann so ein Jüngling bei sich gehabt haben, das des Tötens wert wäre?«
    »Mein Freund«, sagte Cadfael, »es gibt Menschen, die einen Bettler wegen der paar Münzen, die er geschenkt bekommen hat, ermorden. Und wenn ein König mehr als neunzig Männer auf einmal töten läßt, deren einziger Fehler es war, für die andere Seite zu kämpfen, ist es dann verwunderlich, wenn Meuchelmörder das als Rechtfertigung für ihr Tun betrachten?
    Oder zumindest als eine Art Freibrief?« Er sah, daß Courcelle die Röte ins Gesicht stieg und seine Augen wütend blitzten, aber der junge Mann widersprach nicht. »Oh, ich weiß – Ihr habt nur auf Befehl gehandelt, es blieb Euch keine andere Wahl. Auch ich bin einmal Soldat gewesen und hatte zu gehorchen, und ich habe Dinge getan, die ich heute gerne ungeschehen machen würde. Das ist einer der Gründe, warum ich mich schließlich einer

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