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Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Titel: Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Stadttores hatte Cadfael den blinden alten Mann gesehen, der fast mit Stolz Giles Siwards Hose trug und die Hand mit einer würdevollen Geste um milde Gaben ausstreckte. An einer Kreuzung stand die alte Frau mit ihrem schwachsinnigen Enkel an der Hand. Die braune Jacke paßte ihm gut und verleih ihm ein zufriedenes Aussehen. Ach Aline, Ihr solltet die Früchte Eurer Mildtätigkeit sehen!, dachte Cadfael.
    An der Zufahrt von der Stadt zum Burgtor hatten sich erwartungsvoll die Bettler postiert, die der Armee folgten.
    Bischof Robert von Salisbury, des Königs Justitiar, war angekommen und hatte in seinem Gefolge einflußreiche und vermögende Geistliche mitgebracht. Neben dem Torhaus stand Osberns kleiner Wagen. Die Holzgriffe, mit denen er sich am Boden abstieß, um die Knöchel seiner Hand zu schonen, hatte er ordentlich nebeneinander vor sich auf den zusammengefalteten Umhang gestellt, den er erst in der Kälte der Nacht brauchen würde. Er hatte ihn so gefaltet, daß die bronzene Spange, der Drache der Ewigkeit, der seinen Schwanz im Maul hielt, nach oben gekehrt war und sich glänzend vom schwarzen Tuch abhob.
    Bruder Cadfael blieb stehen, um einige Worte mit dem Krüppel zu wechseln. »Nun, wie ist es dir ergangen, seit ich dich drüben beim königlichen Lager gesehen habe? Mir scheint, dies ist ein besserer Platz.«
    »Oh, ich erinnere mich an Euch«, antwortete Osbern. »Ihr seid der Bruder, der mir diesen Umhang gegeben hat.«
    »Und hat er dir gute Dienste geleistet?«
    »Ja, allerdings, und ich habe für die Dame gebetet, wie Ihr gesagt habt. Aber diese Gabe bedrückt mich auch, Vater. Der Mann, dem sie gehört hat, ist sicher tot.«
    »Ja«, sagte Cadfael. »Aber das braucht dich nicht zu belasten.
    Die Dame, die dir diesen Umhang schickte, ist seine Schwester, und, glaub mir, ihr guter Wille hat dies Geschenk gesegnet. Du kannst es also ohne böse Gedanken tragen.«
    Er wollte sich zum Gehen wenden, aber Osbern hielt ihn eilig am Saum seiner Kutte fest und sagte flehend: »Aber ich fürchte, daß ich Schuld auf mich geladen habe, Vater. Ich habe nämlich den Mann gesehen, als er noch lebte und diesen Umhang trug...«
    »Du hast ihn gesehen?« entfuhr es Cadfael. Vor Aufregung sprach er lauter, als er gewollt hatte.
    »Ja, in jener Nacht vor dem Angriff. Es war kalt, und ich dachte bei mir: ›Ich wollte, der liebe Gott würde mir einen solchen Umhang schicken, damit ich es wärmer hätte!‹ Auch Gedanken sind Gebete, Vater! Und kaum drei Tage später schickte Gott mir tatsächlich diesen Umhang. Ihr habt ihn mir übergeben. Wie kann ich jetzt Frieden finden? Der junge Mann gab mir eine milde Gabe und bat mich, am nächsten Morgen ein Gebet für ihn zu sprechen. Das habe ich auch getan. Aber wenn nun mein erstes Gebet das zweite zunichte gemacht hat? Wenn ich nun, nur um einen Umhang zu bekommen, einen Mann ins Grab gewünscht habe?«
    Stumm und verwundert sah Cadfael ihn an. Er fühlte einen kalten Schauder über seinen Rücken hinunterlaufen. Der Mann war nicht verrückt, er wußte, was er gesehen hatte und was er sagte, und seine Seelenqual war echt. Um sie mußte Cadfael sich zuerst kümmern, was immer sonst noch hinter dieser Sache steckte.
    »Vertreibe diese Gedanken aus deinem Geist, mein Freund«, sagte er mit Bestimmtheit, »denn nur der Teufel kann sie dort hineingelegt haben. Wenn Gott dir sandte, was du dir wünschtest, dann nur, um ein klein wenig Gutes aus einem großem Übel zu erretten, an dem du keine Schuld trägst.
    Gewiß sind deine Gebete für den früheren Besitzer auch jetzt eine Labsal für seine Seele. Der junge Mann gehörte zu FitzAlans Leuten und wurde auf Befehl des Königs nach dem Fall der Burg hingerichtet. Du brauchst dich nicht zu sorgen - sein Tod kommt nicht über dein Haupt, du hättest ihn nicht retten können. «
    Der gequälte Ausdruck verschwand aus Osberns Gesicht, aber dennoch schüttelte er ungläubig den Kopf. »FitzAlans Gefolgsmann? Aber wie kann das sein? Ich sah ihn doch im Lager des Königs ein-und ausgehen.«
    »Du hast ihn gesehen? Bist du sicher? Woher weißt du, daß er diesen Umhang trug?«
    »Ich erkenne ihn an der Spange. Als er mir das Almosen gab, hab’ ich sie genau gesehen.«
    Eine Verwechslung war unmöglich – es gab gewiß nicht eine zweite Spange, die genauso gearbeitet war, und Cadfael selbst hatte das Gegenstück auf Giles Siwards Gürtelschnalle gesehen.
    »Wann war das?« fragte er leise. »Erzähl mir, was sich zugetragen hat.«
    »Es

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