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Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel

Titel: Bruder Cadfael und ein Leichnam zuviel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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ehrenhaften Dame eine solche Schmach zugefügt wird. Daß sie ihren Bruder verloren hat, ist schlimm genug. Laßt ihr wenigstens den Glauben, daß er bis zum Ende zu seiner falschen Entscheidung gestanden und sein Leben dafür hingegeben hat! Sie darf nie erfahren, daß er in den letzten Minuten seines Lebens feige gewinselt hat, man habe ihm für diesen schändlichen Verrat das Leben versprochen!«
    Bruder Cadfael mußte ihm beipflichten. »Aber wenn wir Courcelle anklagen und man ihn vor Gericht stellt, wird alles herauskommen. Soweit können wir es nicht kommen lassen, und darin liegt unsere Schwäche.«
    »Und unsere Stärke«, sagte Beringar entschlossen. »Denn auch er darf es nicht soweit kommen lassen. Er will befördert werden und sich die Gunst des Königs erhalten, aber er will auch Aline – glaubt Ihr, das sei mir entgangen? Wie stünde es um seine Aussichten, wenn sie je von dieser Sache erführe?
    Nein, wenn Ihr die Gelegenheit bekommt, diese Angelegenheit ohne Verhandlung zu regeln, dann wird er sie ohne Zögern ergreifen.«
    »Ich verstehe, daß Ihr Aline beschützen wollt«, sagte Cadfael.
    »Ich bitte Euch jedoch, auch für meine Einwände Verständnis zu haben. Auch ich habe eine Verantwortung: der Mord an Nicholas Faintree muß gesühnt werden.«
    »Dann vertraut mir und unterstützt mich in allem, was ich beim Festessen heute Abend unternehmen werde«, antwortete Hugh Beringar. »Sein Tod soll gesühnt werden – aber auf meine Weise.«
    Verwirrt und voller Zweifel nahm Cadfael seinen Platz hinter dem Stuhl des Abtes ein. Er konnte sich nicht vorstellen, was Beringar beabsichtigte, und war alles andere als sicher, daß eine Klage gegen Courcelle ohne den fehlenden Dolch als Beweis Aussicht auf Erfolg hatte. Der Flame hatte nicht gesehen, wer die Waffe an sich genommen hatte, und was Courcelle zu Aline gesagt hatte, bewies gar nichts. Und dennoch schien Hugh Beringar zur Rache entschlossen - sowohl für Aline Siward als auch für Nicholas Faintree. Das Wichtigste für ihn war im Augenblick, daß Aline nie erfuhr, wie ihr Bruder seinen Namen entehrt hatte, und dafür würde Beringar nicht nur Adam Courcelles, sondern auch sein eigenes Leben opfern. ›Aber irgendwie‹, dachte Cadfael mit Wehmut, ›habe ich eine große Zuneigung zu diesem jungen Mann gefaßt, und es würde mir leid tun, wenn ihm etwas zustieße. Es wäre mir lieber, wenn dieser Fall vor einem Gericht verhandelt würde, aber dafür brauchten wir den unumstößlichen Beweis, daß Giles Siwards Dolch im Besitz von Adam Courcelle ist.
    Denn sonst brauchte er nur alles abzustreiten und zu sagen, daß er den Topas oder den Dolch, zu dem er gehört, noch nie gesehen hat. Nein, ohne einen Beweis macht ihn seine Position beim König unangreifbar.‹
    Das Festessen wurde aus einem rein politischen Anlaß gegeben, daher waren keine Damen anwesend; der große Saal war jedoch mit Wandbehängen geschmückt worden und wurde von zahlreichen Fackeln erleuchtet. Von seinem Platz hinter Abt Heribert, der an dem erhöhten Tisch des Königs saß, konnte Cadfael den ganzen Saal übersehen. Er schätzte die Zahl der Gäste auf etwa fünfhundert. Seine Augen suchten Beringar, der an einem der unteren Tische saß und sich angeregt mit seinen Nachbarn unterhielt, als habe er keine finsteren Absichten. Er hatte sich völlig in der Hand; nicht einmal der kurze Blick, den er Courcelle zuwarf, verriet, daß er etwas gegen ihn im Schilde führte.
    Courcelle hatte seinen Platz am Tisch des Königs, wenn er auch von den Würdenträgern, die an diesem Essen teilnahmen, an sein Ende verdrängt worden war. Er war groß, stattlich, ein ausgezeichneter Kämpfer und stand in der Gunst des Königs - wie seltsam war es doch, daß ein Mann wie er es nötig zu haben schien, sich auf so heimtückische Weise zu bereichern!
    Und doch: Im Chaos dieses Bürgerkrieges, wo die Gunst des einen Königs die Hinrichtung durch einen anderen bedeuten konnte, wo Barone je nach dem Stand des Kriegsglücks die Seiten wechselten, wo sogar Grafen lieber ihren eigenen Vorteil suchten, als eine Sache zu unterstützen, die über einen zusammenbrechen und sie unter sich begraben konnte – war da eine Haltung wie die Adam Courcelles wirklich so seltsam?
    Er war ja lediglich ein Kind seiner Zeit. In einigen Jahren würde es in jedem Winkel des Landes Hunderte seinesgleichen geben.
    Der Kurs, den England nimmt, gefällt mir nicht, dachte Cadfael mit einem unguten Vorgefühl. Und noch weniger

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