Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bruder Cadfaels Buße

Bruder Cadfaels Buße

Titel: Bruder Cadfaels Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
sie wußte, daß die junge Frau genug Lebensklugheit besaß und gewiß alles unterlassen würde, was ihre vielversprechende Zukunft am Hof der Kaiserin gefährden konnte.
    Nun, es war wohl besser, daß er sich wichtigeren Dingen zuwandte, als müßigen Gedanken über die Zukunft junger Frauen nachzuhängen, die er nie zuvor gesehen hatte. Es war fast Zeit für die verfeindeten Parteien, erneut zusammenzukommen. Wie vielen der Vertreter beider Seiten mochte aufrichtig an einem Frieden gelegen sein, und wie vielen wäre ein vollständiger Sieg mit dem Schwert lieber?
    Als sich Cadfael so nahe wie möglich an den Eingang des Kapitelsaales heranschob, sah es ganz so aus, als hätte Bischof de Clinton den Vorsitz diesmal dem Bischof von Winchester überlassen. Vielleicht hoffte er, ein so mächtiger geistlicher Würdenträger werde aufgrund seiner Abkunft aus königlicher Familie, und weil er seit neuestem päpstlicher Legat für das Königreich England war, einen größeren Einfluß auf verhärtete Gemüter haben. Bischof Henry erhob sich gerade, um die Versammlung zur Ordnung zu rufen, als eilige Schritte und eine knapp, wenn auch höflich, vorgebrachte Forderung, den Durchgang zu ermöglichen, die dicht gedrängt stehenden Zuschauer auseinandertrieb. In die Mitte des Kapitelsaals trat ein hochgewachsener Neuankömmling, noch in Umhang und Reitstiefeln. Hinter ihm führte ein Reitknecht das Tier über den Hof, von dem der staubbedeckte Reiter soeben abgestiegen war. Während die Hufschläge allmählich verhallten, durchmaß der Ankömmling wortlos mit langen Schritten die freie Fläche zwischen den verfeindeten Gruppen und verneigte sich ehrfurchtsvoll vor dem Vorsitzenden Bischof, der ihn mit fragendem Stirnrunzeln und einer kaum wahrnehmbaren Neigung des Hauptes begrüßte. Dann beugte er sich zum Kuß über den Ring des Königs, alles ohne seine finstere Würde auch nur einen Augenblick lang abzulegen.
    Der König lächelte ihm erkennbar huldvoll zu.
    »Majestät, ich bitte um Verzeihung, daß ich mich verspätet habe. Ich mußte noch etwas erledigen, bevor ich Malmesbury verlassen konnte.« Obwohl der Fremde leise sprach, war seine Stimme deutlich vernehmbar. »Vergebt, meine Herren, daß ich mich im befleckten Reisegewand vor dieser erlauchten Versammlung zeige. Ich hatte gehofft, in angemessener Form auftreten zu können, wollte aber durch meine Verspätung den Gang der Dinge nicht unnötig verzögern.«
    Sein Verhalten gegenüber den Bischöfen war von einwandfreier Höflichkeit. An die Kaiserin richtete er kein Wort, verbeugte sich aber mit so feierlichem Zeremoniell und so unnahbarer Miene vor ihr, daß es überheblich wirkte. An seinem Vater war er vorübergegangen, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, und als er sich jetzt umwandte, sah er ihn so gelassen und unbeteiligt an, als hätte er ihn nie zuvor gesehen.
    Ganz offenkundig handelte es sich um Philip FitzRobert, den jüngeren Sohn des Grafen von Gloucester. Trotz des unterschiedlichen Körperbaus bestand eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den beiden. Philip war nicht wuchtig und gedrungen, sondern hochgewachsen und sehnig, bewegte sich rasch, aber voll Anmut, und seine Haut war gebräunt. Über den beiden wie Striche in seinem Gesicht sitzenden schwarzen Brauen erhob sich eine steile Stirn bis hinauf zum dichten, gewellten Haar. Die Augen darunter waren feurig und voll gezähmten Lebens. Am deutlichsten wurde die Ähnlichkeit zwischen den beiden an ihrem vollen leidenschaftlichen Mund und dem kräftigen Kinn.
    Philip war das Abbild des Vaters, das sich in der nächsten Generation zu einem Extrem gesteigert hatte. Was man an diesem als Beständigkeit loben würde, ließ sich bei seinem jüngeren Sohn mit Fug und Recht Starrhalsigkeit nennen.
    Seine Ankunft schien bei den Versammelten eine sonderbare Anspannung hervorzurufen, die ohne sein Zutun wohl nicht wieder schwinden würde. Er schien sich dessen bewußt und war bemüht, mit einer entschuldigenden Handbewegung und einem Neigen des Kopfes zu den Bischöfen hinüber die Atmosphäre wieder zu entspannen. »Ich bitte Euch, fahrt fort, ich ziehe mich zurück.« Er trat in die Reihen um König Stephen und bahnte sich geschmeidig seinen Weg durch sie hindurch. Seine Anwesenheit war fast mit Händen zu greifen. Um ihn herum erstarrten Männer in der Bewegung, begannen Ohren unwillkürlich zu lauschen, richteten sich Nackenhaare ängstlich auf. Viele der Anwesenden hatten vermutet, daß er nicht wagen würde,

Weitere Kostenlose Bücher