Bruder Cadfaels Buße
über den wir hier reden, führt zu vielen persönlichen Fehden.«
Ungeduldig rutschte der König auf seinem Sessel hin und her und erklärte mit lauter Stimme: »Wir kümmern uns nicht um persönliche Fehden; sie sind hier unerheblich. Was ist das Geschick eines einzelnen Mannes, wenn es um das Wohl des ganzen Landes geht?«
»Das Wohl eines jeden ist das Wohl des Landes«, rief Yves kühn aus. »Sofern einem Mann Unrecht geschieht, ist das einer zu viel. Die Kränkung gilt allen, und das ganze Gemeinwesen leidet darunter.«
Als im zunehmenden Tumult Stimmen einander niederzuschreien versuchten, hob der Bischof gebieterisch die Hände. »Ruhe! Ganz gleich, ob Ort und Zeit richtig gewählt sind, auf jeden Fall hat der junge Mann recht.
Wenn Gesetze nicht für alle gelten, herrscht das Unrecht.« An Yves gewandt, der sich nicht hatte einschüchtern lassen, fuhr er fort: »Ich vermute, daß Ihr an einen bestimmten Mann unter denen denkt, die nach dem Fall Faringdons in Gefangenschaft geraten sind.«
»So ist es, Euer Gnaden. Man hält ihn an einem geheimen Ort gefangen und hat bisher kein Lösegeld verlangt.
Weder mein Onkel, der sein Lehnsherr ist, noch seine Freunde wissen, bei wem sie seinen Preis erfragen können. Sofern mir Seine Majestät sagte, in wessen Hand er sich befindet...«
»Ich habe die Gefangenen nicht für mich behalten«, stieß der König lautstark und störrisch hervor. Cadfael vermutete, daß ihm mindestens ebensosehr daran lag, möglichst rasch zu Tisch gehen zu dürfen, wie daran, diese Störung aus dem Weg zu räumen. Es war kennzeichnend für Stephen, daß er all die wertvollen Gefangenen ausnahmslos seinen habgierigen Anhängern zugesprochen und es ihnen überlassen hatte, sich um die Verteilung der Beute zu streiten. »Ich kenne nur wenige von ihnen und erinnere mich an keinen Namen. Ich habe es meinem Burgvogt überlassen, sie gerecht zu verteilen.«
Yves ergriff die Gelegenheit, ehe sie vorüberging:
»Majestät, der Burgvogt von Faringdon ist hier anwesend. Seid so großmütig zu gestatten, daß er mir antwortet.« Und sogleich fragte er, bevor der König es noch verbieten konnte: »Wo und in wessen Gewahrsam befindet sich Olivier de Bretagne?«
Auch wenn er die Frage mit beherrschter Stimme stellte, schleuderte Yves den Namen wie eine Lanze heraus: nicht auf den König, sondern über den freien Raum zwischen den beiden Parteien hinweg de Soulis ins Gesicht. Er brauchte Stephens Duldung, wenn er eine Antwort bekommen wollte, denn der hatte die Macht zu befehlen, wo andere lediglich bitten durften. Stephens Geduld war allmählich erschöpft. Das hatte weniger mit der Beharrlichkeit des jungen Edelmannes zu tun als damit, daß sich die Verhandlung endlos in die Länge zog.
»Es ist ein berechtigtes Ansinnen«, sagte der Bischof mit einer Stimme, in der immer noch Schärfe mitschwang.
»Sagt dem Burschen in Gottes Namen, was er wissen will«, knurrte der König, »damit wir die Sache hinter uns bringen.«
Sogleich ertönte aus seinem Gefolge de Soulis' willige Stimme. Doch stand er so weit entfernt unter den unbedeutenden Anhängern des Königs, daß ihn Cadfael nicht sehen und seine Stimme kaum hören konnte. »Majestät, gern würde ich dem Wunsch willfahren, doch ich weiß die Antwort nicht. Ich habe in Faringdon nichts für mich selbst beansprucht und alles den Rittern der Burgbesatzung überlassen. Selbstverständlich ausschließlich denen unter ihnen, die sich zu Eurer Majestät bekannt haben«, fügte er säuerlich hinzu. »Ich habe mich nie danach erkundigt, wie sie verfahren sind und abgesehen von den Fällen, in denen Lösegeld gefordert und gezahlt wurde, ist mir der Verbleib keines der Männer bekannt. Es mag sein, daß die Schreiber eine Liste mit ihren Namen verfertigt haben. Sofern es eine solche gibt, habe ich sie nie zu sehen begehrt.«
Schon lange, bevor er endete, hatte es wütendes Knurren im Gefolge der Kaiserin hervorgerufen, daß de Soulis mit voller Absicht jene Angehörigen der Besatzung von Faringdon verhöhnte, die sich selbst treu geblieben waren. In die Reihen der Zuhörer war Bewegung gekommen, als hätten die Männer nach dem Schwert greifen wollen, das sie im Versammlungssaal nicht tragen durften.
Yves rief mit beherrschter Stimme, aber zornbebend, aus:
»Das ist nicht wahr, Majestät! Er war von Anfang bis Ende dabei. Er hat alles angeordnet. Das ist eine schamlose Lüge!« Daraufhin erhob sich ein Murren unter den Anhängern des Königs.
In
Weitere Kostenlose Bücher