Bruder Cadfaels Buße
Schwächen und Verrat gebracht haben, von welcher Seite auch immer sie ausgingen. Von diesem Standpunkt aus müssen wir nun fortfahren. Uns bleibt keine Wahl. Wir müssen feststellen, was sich jetzt tun läßt, um das Übel ungeschehen zu machen, soweit man es ungeschehen machen kann. Das sollten wir bei allem bedenken, was gesagt wird, und nicht nach Vergeltung für etwas streben, das in ferner Vergangenheit liegt.«
»Ich verlange lediglich, daß man die Wahrheit als das anerkennt, was sie ist«, sagte Maud unbeugsam. »Ich bin kraft der gesetzlichen Erbfolge rechtmäßige Herrscherin Englands, wie auch durch die königliche Verfügung meines Vaters und die feierlichen Eide all seiner Edlen, die mich anerkannt und bestätigt haben. Daran könnte ich nicht einmal dann etwas ändern, wenn ich das wollte, und Gott ist mein Zeuge, ich werde es nicht tun. Daß man mir meine Rechte verweigert, ist dabei unerheblich. Ich habe sie nie aufgegeben.«
»Man kann nicht aufgeben, was man nicht besitzt«, höhnte eine Stimme aus den hinteren Reihen der Anhänger Stephens. Sogleich gaben ein Dutzend Männer auf beiden Seiten aufreizende, beleidigende und spöttische Bemerkungen von sich, bis Stephen die Faust auf die Lehnen seines Thronsessels niederfahren ließ und noch lauter als der empörte Bischof Ruhe gebot.
»Meine kaiserliche Base hat das Recht zu sprechen«, erklärte er fest, »und sie hat ihre Worte kühn vorgetragen.
Jetzt muß ich etwas über jene Symbole sagen, welche die Herrschaft nicht so sehr vorhersagen oder entscheiden, wohl aber übertragen und bestätigen. Wollte die Gräfin von Anjou in den Besitz der Krone gelangen, auf die sie aufgrund ihrer Erbfolge Anspruch erhebt, müßte man mich um das bringen, was ich bereits kraft der Krönung, der Weihe und der Salbung besitze. Was man ihr zugesagt hat, habe ich eingefordert und rechtmäßig bekommen. Das Öl, mit dem man mich gesalbt hat, läßt sich nicht abwaschen.
Das ist das Recht, unter dem ich Anspruch auf das erhebe, was ich besitze, und meinen Besitz werde ich nicht aufgeben und nicht auf den geringsten Bruchteil dessen verzichten, was ich - ganz gleich auf welche Weise - errungen habe. Ich werde unter keinen Umständen Zugeständnisse machen.«
Was ließ sich da noch sagen, nachdem beide ihren Standpunkt unnachgiebig vorgetragen hatten? Obwohl die Kaiserin auf das Recht des Blutes und der König auf weltliche und geistliche Anerkennung und Einsetzung verwies, wollte man sich um eine Lösung bemühen. Das sollte die Stunde der gemäßigten Stimmen sein. Doch statt zu brüderlicher oder verwandtschaftlicher Liebe und Vergebung aufzurufen, rückten sie unumwunden nackte Tatsachen in den Vordergrund. Sofern man in dieser Sackgasse verharrte und Zerwürfnis und Verwüstung weitergingen, erklärte Robert Bossu kalt und mit erkennbarem Nachdruck, gäbe es zum Schluß nichts mehr zu besitzen oder zu übernehmen als eine Wüstenei, in welcher der Sieger, sofern man den Überlebenden so bezeichnen mochte, seinen Wohnsitz in Glut und Asche würde nehmen müssen. Aber auch darauf hörte niemand. Die Kaiserin gab sich sicher, auf Englands Boden letztlich zu siegen, im Bewußtsein dessen, daß ihr Gemahl und ihr Sohn die gesamte Normandie fest in der Hand hatten und die meisten der versammelten englischen Edlen dort über Grundbesitz verfügten, an dessen Schutz ihnen gelegen war. Dazu aber waren sie auf das Haus Anjou angewiesen.
Stephen wiederum war überzeugt, daß sein Stern in England günstig stand, was sich an den glänzenden Erfolgen des nun endenden Jahres ablesen ließ. Gewiß würde ihm auch das Übrige zufallen, und er war bereit, es darauf ankommen zu lassen. Was jenseits des Wassers geschah - darum konnte man sich später kümmern.
Wie üblich predigten die Stimmen der Vernunft tauben Ohren. Inzwischen bestanden die Redebeiträge aus kaum mehr als einem Austausch von Vorwürfen und Gegenvorwürfen. Unerschrocken bemühte sich der Bischof von Winchester um Ausgleich und sorgte dafür, daß kein offener Konflikt ausbrach. Doch zu mehr war er ebenfalls nicht in der Lage. Cadfael bemerkte, daß es viele in der Menge gab, die verdrießlich zuhörten und nichts sagten.
Man vernahm kein Wort aus dem Mund Roberts von Gloucester und keins aus dem Mund seines Sohnes und Feindes Philip FitzRobert. Beide mißtrauten einander und dachten nicht daran, ihre Bemühungen und ihren Atem zu verschwenden, auf welcher Seite auch immer.
»
»Es fruchtet nichts«,
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