Bruder Cadfaels Buße
zusammenzufinden, an dem sie miteinander beratschlagen konnten, ohne belauscht zu werden. Im Schutz von Altären und in den Mauernischen des Kreuzgangs steckten sie die Köpfe zusammen. Auswärtige Kirchenmänner schritten durch Schiff und Chor und betrachteten den Altarschmuck.
Einige der Brüder, die nach der halbstündigen Mittagspause wieder an ihre Aufgaben zurückkehrten, schoben sich schweigend zwischen den Besuchern hindurch.
Mit demütig gefalteten Händen und gesenktem Blick stand eine junge Frau vor dem Hochaltar. Ob sie betete?
Cadfael bezweifelte das. Der rötliche Schein des Altarlichts ließ andeutungsweise ein siegessicheres Lächeln erkennen, und der Mann, der dicht neben ihr stand, flüsterte ihr achtungsvoll etwas ins Ohr. Dabei umspielte ein Lächeln ähnlich dem ihren seine Lippen. Ach ja! Eine junge Frau unter so vielen liebenswürdigen jungen Männern, praktisch die einzige ihres Geschlechts und Alters in dieser so gut wie ausschließlich aus Männern bestehenden Versammlung. Sie durfte wohl ihre Vorrechte genießen und ihre Möglichkeiten nutzen, solange es währte. Cadfael hatte sie schon am Vormittag gesehen, wie sie der Kaiserin munter zur Messe gefolgt war und ihr das Gebetbuch sowie einen leichten wollenen Umhang für den Fall nachtrug, daß während der Andacht der hohen Dame die Kälte der riesigen steinernen Höhle lästig würde. Soweit man ihm gesagt hatte, handelte es sich um die Nichte der älteren Kammerfrau. Diese drei Frauen, eine von königlichem Geblüt, die beiden anderen dem minderen Adel angehörig, waren die einzigen Vertreterinnen ihres Geschlechts inmitten der hier versammelten Angehörigen des gesamten hohen und niederen Adels des Landes. Das konnte einer jungen Frau schon den Kopf verdrehen. Allerdings kam Cadfael zu dem Ergebnis, daß sie, nach ihrer Haltung und der Selbstsicherheit zu urteilen, mit der sie zuhörte, ohne selbst etwas zu sagen, weder vorschnell Zugeständnisse machen noch ihren Vorteil aus dem Auge verlieren würde. Sie würde zuhören und lächeln, vielleicht sogar die Möglichkeit andeuten, noch weiter zu gehen, schien aber zu wissen, was sie wollte. Umgeben von hundert oder mehr jungen Männern, die sie sehen und bewundern und ihr mit angenehmen Aufmerksamkeiten schmeicheln konnten, war es nicht wahrscheinlich, daß der erste und dreisteste besonders weit käme, solange nicht andere gezeigt hatten, was sie zu bieten hatten. Sie war jung genug, das Spiel zu genießen, und gewitzt genug, es unbeschadet zu überstehen.
Jetzt war ihr offenbar eingefallen, daß sich die Stunde näherte, da sie ihren Dienst wieder aufnehmen mußte, und sie wandte sich zum Gehen, um ihre Herrin erneut zur Tür des Kapitelsaals zu geleiten. Die junge Frau bewegte sich entschlossen, und ihr rascher Gang zeigte, daß es ihr gleichgültig war, ob ihr der Höfling folgte oder nicht. Dennoch ging sie nicht so schnell, daß er zurückblieb. Bis dahin hatte Cadfael den Mann nicht erkannt.
Der erste und dreisteste - ja, gewiß, das mußte er sein. Der blonde Schöpf, der elegante, selbstbewußte Schritt, das angedeutete, ein wenig herablassende Lächeln des Brien de Soulis folgten der jungen Frau mit überheblicher Beherrschtheit aus der Kirche. Er vermittelte den Eindruck, als sähe er keinen Grund zur Eile, da sie ihm zu Willen sein würde, sobald er das nur wollte - genau so, wie sie sicher war, mit ihm spielen und ihn nach Belieben fallenlassen zu können. Man durfte sich ernsthaft fragen, welches der beiden anmaßenden Geschöpfe die Oberhand behalten würde.
Cadfaels Neugier war so weit geweckt, daß er ihnen in den Hof folgte. Die ältere Kammerfrau war aus dem Gästehaus getreten, um Ausschau nach ihrer Nichte zu halten. Sie betrachtete das Paar mit teilnahmslosem Gesicht und allem Anschein nach ungerührt. Dann wandte sie sich ab, um erneut in das Haus zu treten, blickte aber über die Schulter zurück, um zu sehen, ob die junge Frau ihr folgte. De Soulis blieb stehen, erwies beiden mit höfischer Geste seine Reverenz und schritt dann auf den Kapitelsaal zu. Cadfael betrat den Klostergarten, wo er gedankenverloren über das bleiche Wintergras schritt.
Die Kammerfrau der Kaiserin konnte eine Tändelei ihrer Nichte mit dem eleganten Verräter kaum dulden, wie harmlos diese auch sein mochte. Bestimmt würde sie sich Sorgen machen und die junge Frau vor einer solchen Torheit warnen. Vielleicht kannte sie auch ihr eigenes Blut besser und sah keinen Grund zur Sorge, da
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