Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Titel: Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
Vom Netzwerk:
Jungfrau ausgegeben, das hätte den hohen Preis erklärt. Dann hatte Marieke Schwierigkeiten gemacht, und um sie ruhigzustellen, war Abakay mit dem vom dicken Volker im Voraus erhaltenen Geld Heroin kaufen gegangen. Blieben tausendzweihundert und ein paar Zerquetschte.
    Ich nahm die großen Scheine und schob sie dem dicken Volker in die Jeanstasche.
    Dann ging ich in die Küche und durchsuchte die Schubladen nach einem scharfen Messer. Im Hintergrund lief die Dusche. Ich hoffte, dass Marieke ihrer Mutter nie erzählen würde, dass sie mit Abakay geschlafen hatte.
    Mit einem etwa dreißig Zentimeter langen Fleischmesser kehrte ich in den Eingangsflur zurück, kniete mich neben Abakay und schnitt und stach ihm leicht in Brust und Bauch. Keine tiefen Verletzungen, es sollte nur ein bisschen nach Kampf aussehen, und ich wollte, dass Abakays Blut an der Klinge klebte. Abakay stöhnte wieder und zuckte, wachte aber nicht auf. Ich kroch zum dicken Volker, wischte den Messergriff an meinem T-Shirt ab und drückte seine kalte Hand um den Griff. Die kleine Wunde in Höhe des Herzens hatte aufgehört zu bluten.
    Aus dem Büro holte ich eine Rolle Paketklebeband, aus der Küche ein Geschirrhandtuch, knebelte Abakay und band ihm die Beine zusammen.
    Anschließend ging ich wieder ins Büro, fuhr den Computer hoch und tippte »Marieke« ins Fenster des Suchsystem. Der Name erschien in einer Liste, in der verschiedenen weiblichen Vornamen Pseudonyme zugeordnet waren. Hinter Marieke stand in Klammern Laetitia , und die tauchte dann in einer Art Katalog auf. Der Ordner trug den Titel »Herbstblüten 2011« und enthielt die Fotos und Kurzbeschreibungen von fünf Mädchen. Die Fotos waren einfache Aufnahmen oder Schnappschüsse von bekleideten, meistens lachenden Teenagern auf der Straße oder im Café. Bei Laetitia stand dabei: Kluge, anspruchsvolle Upperclass-Tochter, politisch interessiert, legt Wert auf Gespräche, Ausbrecherin auf der Suche nach Abenteuern, wenn der Ton stimmt, zu fast allem bereit, exotischer, milchkaffeefarbener Typ, sehr gut entwickelt, noch für einige Monate vierzehn.
    Vierzehn, so kam der Preis zustande.
    Bei einem anderen Mädchen mit dem Pseudonym Melanie stand: Frˆhliches, natürliches Vorstadt-Girl, liebt Pferde, will Spaß, Hauptsache, es wird gelacht, eher für den konventionellen Ritt als für delikate Spiele, blonder, frischer, jungenhafter Typ, sechzehn .
    Wahrscheinlich achtzehn.
    Und dann Lilly. Super Spezial! Süße kleine Kniestrumpf-Maus, spielt noch mit Puppen, Jungfrau, gegen Höchstgebot .
    Ich löschte alle Daten von Marieke, tippte de Chavannes ins Suchsystem, stieß auf Valerie de Chavannes Adresse samt ein paar heimlich von ihr im Café aufgenommenen Fotos und löschte auch die. Im Regal fand ich einen Foto-Karton mit der Aufschrift Frankfurt im Schatten der Bankentürme . Den Karton unterm Arm ging ich in den Eingangsflur und trat Abakay mit aller Kraft von oben zwischen die Beine. Trotz Knebel grunzte er laut auf, Flüssigkeit trat ihm aus der Nase, und er krümmte sich, ehe er erneut ohnmächtig zur Seite fiel.
    »Von Lilly.«
    Während ich in der Küche auf Marieke wartete, blätterte ich die Fotos durch. Die meisten waren Schwarzweißporträts von zerstörten, faltigen, alten oder früh gealterten Gesichtern vor dem Hintergrund der Frankfurter Bankentürme. Eine alte Roma mit zahnlosem Grinsen und Kippe im Mundwinkel, ein dunkelhäutiger Junge mit Elvistolle, Kindergitarre und ausgeschlagenem Auge, eine Fixer-Hure mit völlig weggetretenem Blick und I-love-Frankfurt -Button an der Bluse und so weiter. Nicht so schlecht, aber auch nicht so neu, und es kam mir vor, als hätte ich die Fotos schon einige Male gesehen.
    Ich stellte den Karton beiseite und überlegte, von welcher Waffe oder welchem Werkzeug ein so schmaler, tödlicher Stich herrühren konnte.
    4
     
    Über die Hintertreppe gelangten wir in den Innenhof und gingen durch die Toreinfahrt zur Straße. Aus den Küchenfenstern des Café Klaudia drang der Geruch von gegrilltem Fleisch, es war Mittagszeit, und ich bekam Hunger.
    »Wir müssen ein Taxi finden. Die Kollegen haben den Dienstwagen genommen, um Abakay wegzubringen.«
    »Was ist mit Volker?«
    »Ein Arzt ist mit ihm im Treppenhaus.«
    »Warum wollten Sie nicht, dass wir vorne rausgehen?«
    »Damit er Sie nicht noch mal sieht. Es gibt Fälle, in denen der Kunde oder Vergewaltiger oder wie immer Sie einen Typen nennen wollen, der sich Minderjährige kauft –,

Weitere Kostenlose Bücher