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Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition)

Titel: Bruder Kemal: Ein Kayankaya-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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jedenfalls Fälle, in denen der Kerl später versucht, sich erneut an sein Opfer ranzumachen, besonders dann, wenn beim ersten Mal nichts gelaufen ist. Das wollen wir natürlich vermeiden. Er soll sich Ihr Gesicht nicht einprägen können.«
    »Ich denke, ihm geht’s nicht gut.«
    »Ihm geht’s schon wieder besser.«
    Wir waren am Bordstein stehen geblieben, und ich hielt nach einem Taxi Ausschau. Zwanzig Meter weiter blitzte mein Fahrrad in der Sonne.
    »Und muss er nicht ins Gefängnis?«
    »Wofür?«
    Ich sah sie an. Geduscht, die blonden Rastazöpfe mit einer blauen Samtschleife hinter den Kopf gebunden, in Jeans und weißer Bluse, die viereckige Designerbrille auf der Nase, glich sie nun ziemlich exakt dem streng und leicht herablassend dreinblickenden Mädchen auf den Fotos auf Valerie de Chavannes’ Glastisch. Der Schock, unter dem sie noch vor einer halben Stunde gestanden hatte, ließ sichtlich nach.
    »Versuchte Vergewaltigung?«
    »So was ist immer ziemlich schwer zu beweisen. Vor allem, wenn das vermeintliche Opfer mit dem beteiligten Zuhälter vorher eine freiwillige Beziehung geführt hat.«
    Mariekes Gesichtszüge erstarrten. Für einen Augenblick wirkte sie, als wolle sie sich umdrehen und weggehen, mir vielleicht vorher noch vor die Füße spucken oder so was.
    »Sie irren sich!«
    »Ach ja?«
    »Erden ist kein Zuhälter, er ist Fotograf, außerdem ein guter Freund meiner Mutter!«
    »Nein, da irren Sie sich. Vielleicht ist er ein Freund Ihrer Mutter, das weiß ich nicht, aber wenn, dann kein guter.«
    Sie schüttelte aufgebracht den Kopf.
    »Erden ist alles andere als ein Zuhälter! Er wollte Volker einfach einen Gefallen tun und brauchte nun mal Geld, und Volker hat genug. Und ehrlich gesagt, wenn der sich nicht so schweinisch benommen hätte, mit widerlichem Gequatsche und gleich mit Ausziehen und so… Ich seh das normalerweise nicht so eng.«
    Sie betrachtete mich kurz prüfend, ob mich das schockierte, dann fuhr sie fort: »Und darum gab es auch keine anderen Mädchen vor mir. Das denken Sie sich nur aus, um alles noch schlimmer zu machen. Weil Sie Polizist sind und um Erden einsperren zu können. Vielleicht kriegen Sie dann ’ne Gehaltserhöhung oder ’n Orden!«
    »Ach Gottchen. Wenn man für die Festnahme von kleinen Dreckschweinen wie Abakay Orden bekäme, wär ich schon längst im Metallhandel.«
    »Sehr witzig.«
    »Abgesehen davon weiß ich nicht, wie Sie sich einen Zuhälter vorstellen, aber halbwegs intelligente Zuhälter geben sich natürlich Mühe, den Bildern, die es von ihrer Berufsgruppe gibt, nicht zu entsprechen.« Dabei dachte ich kurz an die dicken goldenen Ringe an Abakays Fingern und dass Abakay entweder weniger intelligent war, als ich ihn einschätzte, oder ich weniger Ahnung hatte, als ich glaubte. Vielleicht spielten halbwegs intelligente Zuhälter eben gerade mit den bekannten Bildern, weil das bestimmte Frauen oder Mädchen anmachte. So wie mich mal morgens um drei an der Bar Deborah angemacht hatte: hochhackig, mit freizügigem Dekolleté und eindeutigem Lächeln, im zärtlichen Flüsterton: »Du bist was Besonderes, seh ich sofort, und ich bin auch was Besonderes – zusammen, mein Schatz, fliegen wir für vierhundert Mark eine Nacht lang durchs Paradies.«
    »Das ändert aber nichts an Abakays Beruf. Das ist wie mit den Tankstellen, die damit werben, dass sie für saubere Luft sorgen.«
    Marieke erwiderte nichts. Sie starrte wütend vor sich hin, beide Hände in den Riemen ihres Lederbeutels gekrallt, mit den Gedanken vermutlich bei meinem groben herzlosen Wesen. Dagegen Abakay: Kuscheln, Reden, sensible Filme, Mitgefühl, künstlerisches Talent, soziale Verantwortung – warum war sie eigentlich so ausgeflippt, als er zu ihr gesagt hatte: Mein Herz, ich bin überzeugt, wir sind die ganz große Liebe, wir haben solches Glück, aber um die ganz große Liebe leben zu können, brauchen wir nun mal Geld, das ist die verdammte soziale Realität, darum geh jetzt mal mit Volker, das ist ein guter Freund, der ein bisschen Zuwendung braucht, und unserem Glück kann so ein bisschen Fremdschmusen doch nichts anhaben?
    Vielleicht, überlegte ich, hätten wir doch durch die Vordertür gehen sollen. Volkers Leiche und der geknebelte Abakay wären vermutlich beeindruckend genug gewesen, um Marieke für eine Weile von der Wohnung fernzuhalten.
    »Wie geht’s Ihren Lippen?«
    Sie behielt den Blick am Boden.
    »Wahrscheinlich hat Abakay gar nicht so fest zugeschlagen, aber mit

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