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Bruderherz

Titel: Bruderherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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Brust hoch und trat von hinten gegen die Rückenlehne meines Sitzes. Ich wurde gegen das Armaturenbrett geschleudert und spürte die Bewegung in meinem Finger, auch wenn ich den Schuss nicht hörte. Dann bemerkte ich den Mündungshochschlag der Glock.
    Walter fiel rückwärts auf das Steuerrad und die Hupe tutete weit über das Land. Ich hob ihn von der Hupe herunter, er sackte in meinem Schoß zusammen und verblutete auf mir.
    Ich weinte; Orson lachte.

Kapitel 27
     
    Bis ich Walter begraben hatte, war es kurz vor fünf Uhr. Das erste Tageslicht drang durch das Kieferndach, und vom Highway aus würde der weiße Cadillac bald gut sichtbar sein, wenn er es nicht schon war. Der Himmel hellte sich sekündlich mehr auf, und ich spürte, wie meine Selbstbeherrschung wiederkehrte, die mich Stunden zuvor verlassen hatte. Während ich in dem Overall, der von Walters gefrorenem Blut ganz steif war, durch die Bäume zurückging, dachte ich: Ich könnte so einfach zugrunde gehen.
    Als ich die letzten Bäume erreichte, sah ich drei Autos in Richtung Bristol vorbeifahren. Es war inzwischen so hell, dass sich die schwarzen, konturlosen Berge deutlich vom Himmel abhoben, und jeder, der vorbeikam und zufällig in meine Richtung schaute, würde sehen, wie ich über den Standstreifen zurück zum Wagen stolperte. Am östlichen Horizont kündigte ein dünner Lichtstreifen über dem Atlantik bereits den Tag an. Die Sonne ging auf. Der Mond war vor Stunden verschwunden.
    Ich erreichte den Cadillac. Orson lag bewusstlos im Kofferraum, in seinem Blut zirkulierte eine ganze 4-mg-Ampulle Ativan.
    Der Fahrersitz war eine einzige Sauerei – das Seitenfenster war rot verschmiert und auf dem Boden hatte sich eine regelrechte Pfütze gebildet. Ich schaffte es, so viel Blut und Hirn von der Scheibe zu kratzen, dass ich fahren konnte, ließ erschöpft den Motor an, fuhr auf den Highway auf und dann weiter in Richtung Süden, zurück nach Woodside.
    Ich überlegte die ganze Zeit, was ich wohl tun würde, wenn mich ein Cop anhielt. Er würde den blutbefleckten Innenraum sehen und mein völlig zugeschwollenes, blaurotes linkes Auge. Ich würde weglaufen müssen. Ansonsten hätte ich keine andere Wahl, als ihn zu töten.
    Zurück vor Orsons Haus, fuhr ich den Cadillac rückwärts die Auffahrt hinauf und parkte ihn neben dem weißen Lexus. Mir war schlecht vor Angst bei dem Gedanken, den Wagen hier draußen stehen lassen zu müssen, denn die Stadt würde in der nächsten Stunde erwachen. Aber es gab keine andere Möglichkeit. Ich musste Orson ins Haus schaffen, mich säubern und überlegen, was zum Teufel ich als Nächstes tun würde.
     
    Ich lehnte mich auf der geblümten Couch in Orsons Fernsehzimmer zurück und wählte Cynthias Privatnummer. Es war elf Uhr und der sonnige Samstagmorgen schickte seine leuchtenden Sonnenstrahlen durch die Fensterläden in das Fernsehzimmer – ein sparsam möblierter Raum mit einem großen Fernseher in einem Kiefernholzschrank und einem CD-Ständer in der Ecke. Orson lag mir gegenüber auf einer ebenfalls geblümten Couch, seine Hände waren immer noch mit den Handschellen auf dem Rücken gefesselt und um seine Füße hatte ich ein Fahrradschloss gebunden, das ich in seiner Bibliothek gefunden hatte.
    »Hallo?«, antwortete sie nach dem dritten Klingeln.
    »Hallo, Cynthia.«
    »Andy.« Ihre Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass sie geschockt war, und das beunruhigte mich. »Wo steckst du?«, fragte sie. »Alle suchen nach dir.«
    »Wer ist alle?«
    »Das Police Department von Winston-Salem hat mich gestern zweimal im Büro angerufen.«
    »Warum suchen sie nach mir?«
    »Du weißt, was mit deiner Mutter ist?« Sie bereute diese Frage sofort.
    »Was ist mit ihr?«
    »O Andy! Es tut mir so Leid.«
    »Was?!«
    »Vor drei Tagen hat sie ein Nachbar tot in ihrem Haus gefunden. Ich glaube, es war Mittwoch. Andy…«
    »Was ist passiert?« Ich ließ meine Stimme zittern. Wie konnte ein unschuldiger Mann erklären, dass er nicht weint, wenn er erfährt, dass seine Mutter umgebracht wurde? Selbst der Schuldige schaffte es, Tränen zu vergießen.
    »Sie glauben, sie wurde ermordet.«
    Ich ließ den Hörer sinken und rang mir ein paar Schluchzer ab. Einen kurzen Moment später hielt ich den Hörer wieder ans Ohr. »Ich bin hier«, sagte ich schniefend.
    »Bist du in Ordnung?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Andy, die Polizei will mit dir sprechen.«
    »Warum?«
    »Ich äh… Ich glaube…«, sie seufzte. »Das ist hart, Andy. Es gibt

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