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Bruderherz

Titel: Bruderherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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an den Armen, doch er gab keinen Laut von sich.
    »Scheiße!« Ich kletterte nach hinten und kniete mich, so gut es ging, vor ihn, damit wir uns von Angesicht zu Angesicht gegenüber waren. »Orson«, wiederholte ich, und dieses Mal waren meine Lippen so nah an seinen, dass ich ihn hätte küssen können. »Wach auf.« Ich schlug ihn. Es fühlte sich gut an. »Wach auf!«, schrie ich, doch er zuckte nicht einmal. »Verdammte Scheiße!« Ich kletterte zurück auf den Vordersitz. »Schätze, wir müssen einfach abwarten.«
    »Wie viel hast du ihm gegeben?«, fragte Walter.
    »Fünfzehn Milligramm.«
    »Komm, ich will hier draußen nicht die ganze Nacht verbringen. Gib ihm einfach das Gegenmittel.«
    »Es könnte ihn umbringen. Es ist ein teuflischer Schock. Wir sollten ihn wenn möglich von selber wieder zu sich kommen lassen.«
    Ich starrte den Highway entlang und sah plötzlich ein Paar Scheinwerfer auftauchen und wieder verschwinden.
    »Draußen in Wyoming«, sagte ich, »sieht man die Scheinwerfer schon, wenn sie noch zwanzig oder dreißig Meilen entfernt sind.« Ich stellte die Rückenlehne flach und drehte mich nach rechts, so dass ich zur Tür schaute. »Walter?«
    »Ja?«
    »Ich habe in Wyoming einen Mann getötet.«
    Er sagte nichts und wir schwiegen eine Weile.
    »Kannst du wach bleiben und Orson beobachten?«, fragte ich schließlich.
    »Ja.«
    »Weck mich in einer Stunde, dann kannst du schlafen.«
    »Nichts wird mich dazu bringen, hier einzuschlafen.«
    »Dann weck mich, wenn er aufwacht.« Ich rollte mich auf dem Sitz zusammen. Um einzuschlafen, stellte ich mir vor, ich läge in einem Liegestuhl auf Aruba. Die Ventilatoren waren die tropische Brise, den Ozean hörte ich in der Vibration des leer laufenden Motors.
    Hände schüttelten mich. Als ich mich aufsetzte, schmerzte mein Kopf, als ob rundherum ein Sprung durch den Schädelknochen ginge. Walter starrte mich an und hielt seine .45er im Schoß.
    »Wie spät ist es?«, fragte ich.
    »Ein Uhr. Er hat sich bewegt, aber ich glaube nicht, dass er so bald aufwacht. Zumindest nicht richtig.«
    »In Ordnung. Ich gebe ihm das Gegenmittel.«
    Ich durchsuchte meine Gürteltasche, bis ich die 10-ml-Ampulle mit dem Flumazenil, einem Gegenmittel des Betäubungsmittels, gefunden hatte. Ich zog die ganze Ampulle auf, kletterte auf den Rücksitz und griff nach Orsons linkem Arm. Ich suchte die Vene, die ich bereits einmal benutzt hatte, durchstach die Haut, drückte mit dem Daumen auf den Spritzenkolben und injizierte ihm das Flumazenil. Dann zog ich die leere Spritze wieder heraus und kletterte zurück auf den Vordersitz.
    »Bist du bereit?«, fragte ich. »Er wird damit schnell wieder zu sich kommen. Mit großen Augen und völlig fertig.«
    Eine Minute verstrich. Dann bewegte sich Orson, rieb sich das Gesicht am Sitz und versuchte sich aufzusetzen. Auf seiner Stirn, dort, wo ich ihn mit dem Griff der Pistole bearbeitet hatte, klaffte eine hässliche Platzwunde. Eine Spur geronnenen Blutes lief wie verwischte Wimperntusche über sein linkes Auge bis in seinen Mundwinkel. Er murmelte etwas.
    »Setz ihn aufrecht«, sagte ich und kniete mich wieder hin, um nach hinten schauen zu können.
    Walter packte ihn bei den Haaren und zog ihn brutal hoch. Orson versuchte, auf dem mittleren Sitz die Balance zu halten, und öffnete die Augen. Als er mich erblickte, lächelte er schwach.
    »Andy«, sagte er deutlich, »was in aller Welt…«
    »Wo sind die Videobänder, die du von den Morden gemacht hast? Und die Fotos, zum Beispiel das auf der Karte, die du mir geschickt hast?«
    »Ich habe geträumt, wir hätten miteinander gekämpft«, sagte er. »Ich hab dich ganz schön erwischt, wenn ich mich richtig entsinne.« Das Nachlassen der Betäubung war erstaunlich. Orson war bei klarem Verstand, mit weiten Pupillen, sein Herz raste.
    »Schalt den Zigarettenanzünder ein, Walter«, sagte ich, und er schob ihn ins Armaturenbrett.
    »Walt?«, sagte Orson. »Was machst du denn hier?«
    »Sprich nicht mit ihm«, wies ich Walter an.
    »Verdammt, er kann doch mit mir reden, wenn er Lust hat! Wie geht’s der Familie, Walt?«
    »Orson«, zischte Walter. »Ich werde…« Ich griff nach Walters Arm, schaute ihm in die Augen und schüttelte den Kopf. Er errötete und nickte.
    »Nein, lass ihn doch reden«, meinte Orson. »Er ist vermutlich ein bisschen sauer auf mich und will sich das von der Seele quatschen.«
    »Nein, Orson, heute Nacht geht’s nur um dich.«
    Orson lächelte und suchte im

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