Bruderherz
Rückspiegel Walters Blick. »Wie geht’s der kleinen Jenna?« Walter umklammerte mit beiden Händen das Lenkrad und blickte auf die Pistole in seinem Schoß. »Ich hab mir sagen lassen, wie süß sie ist. Ich schätze, du bist stolz wie…«
»Walter lässt sich von deinen Verhöhnungen nicht beeindrucken«, erklärte ich. »In deiner Lage würde ich nicht…«
»Wenn er sich nicht beeindrucken lässt, warum hat er dann gerade auf seinen Revolver geschielt?« Orson lächelte Walter zu. »Denkst du gerade darüber nach, etwas Unbesonnenes zu tun?«
»Orson, es ist eine Angelegenheit zwischen dir und mir…«
»Ich schätze, er ist ein wenig aufgebracht, weil einer meiner Schützlinge ein Auge auf die Lancings geworfen hat.«
Walters Finger spannten sich um die Waffe. Er kniete sich hin und schaute meinen Bruder an.
»Er heißt Luther«, fuhr Orson fort. »Würdest du gerne mehr über ihn wissen, Walter? Es könnte sein, dass er in deinem Leben noch eine große Rolle spielt. In der Tat, vielleicht spielt er sie ja schon. Weißt du, als ich ihn vor drei Jahren mit in die Wüste genommen habe, war er sehr begierig, zu lernen, wie man…«
»Walter, ignorier ihn einfach…«
»Lass ihn ausreden.«
»Ursprünglich war das gar nicht meine Absicht«, fuhr Orson fort. »Aber zu Luthers verschiedenen Interessen gehört vor allem auch das an kleinen Wesen. Genau genommen verletzt er kleine Wesen gerne, und da ich mir nicht anmaße, darüber zu urteilen, habe ich zu ihm gesagt: ›Ich kenne zwei kleine Wesen namens Jenna und John David Lancing, die kleine Verletzungen gebrauchen könnten.‹«
»Ich glaube dir kein Wort.«
»Du musst mir auch nicht glauben, Walter. Luther glaubt mir. Und das ist alles, was zählt. Sein Besuch an Jennas Schule war nur der Anfang. Er hat auch Beth getroffen, allerdings hat sie es nicht bemerkt. Auf mein Drängen hin hat er deine Adresse in sein Notizbuch aufgenommen, und wenn er es nicht sogar bereits getan hat, wird er sicherlich dieser Tage 1518 Shortleaf Drive anrufen. Ach ja, stimmt, Beth hat die Kinder ja fortgebracht. Nun, Luther wird sie schon finden, wenn er es nicht bereits getan hat. Er ist äußerst motiviert – die Profiler vom FBI nennen so etwas einen Lustmörder, das bedeutet, die Todesangst anderer Menschen befriedigt ihn sexuell. Du kannst mir glauben, wenn ich behaupte, dass er ein ganz schön makaberes Genie ist. Er jagt sogar mir Angst ein.«
Walter drückte seine Waffe gegen Orsons Brust.
»Nein«, sagte ich ruhig. »Lehn dich einfach zurück.«
»Wenn ich den Abzug drücke«, sagte Walter zu Orson, »dann ist die Wucht, mit der die Kugel deine Brust trifft, vermutlich so heftig, dass dein Herz aufhört zu schlagen. Was ist das für ein Gefühl, Orson?«
»Ich schätze, ich fühle mich genauso, wie sich deine Frau und deine Kinder fühlen werden. Und glaub mir, Walter, du könntest mir bei lebendigem Leibe die Haut abziehen und ich würde Luther nicht zurückpfeifen.«
»Nimm die verdammte Waffe runter«, sagte ich. »Das ist nicht der richtige Weg.«
»Er redet von meiner Familie.«
»Er lügt. Er wird es uns schon noch sagen.«
»Ich lüge nicht, Walter. Soll ich dir sagen, was Luther mit deiner Familie vorhat, oder willst du dir die Überraschung nicht verderben?«
Walter presste die Zähne zusammen und zitterte vor rasendem Zorn.
»Ich sage es dir nicht noch einmal«, sagte ich. »Nimm sie runter.«
»Halt’s Maul, Andy!«
Ich holte meine Glock aus der Gürteltasche und richtete sie auf meinen besten Freund. »Ich lasse nicht zu, dass du ihn erschießt. Noch nicht. Denk nach. Wenn du ihn umbringst, werden wir nicht herausfinden, wo Luther ist. Du setzt gerade das Leben deiner Familie aufs Spiel.«
»Vielleicht lässt uns Luther in Ruhe, wenn er tot ist. Orson macht das hier nur, weil ich über ihn Bescheid weiß.« Er lud die erste Patrone.
»Walter, du drehst jetzt ein bisschen durch, also…« Ich beugte mich vor, um ihm die Waffe abzunehmen, doch er fuhr zurück und richtete seine .45er auf mich.
»Du nimmst jetzt die Waffe runter.«
Mein Finger bewegte sich zum Abzugshahn hin.
»Willst du mich erschießen?«
»Du hast keine Kinder«, sagte er erregt. »Du verstehst das nicht.« Er richtete die Waffe wieder auf meinen Bruder. »Los, zähl bis drei, du Stück Scheiße!«
»Okay, eins.«
»Walter!«
»Zwei.«
»Wenn du ihn umbringst, bringst du auch deine Familie um!«
Bevor Walter bei drei angekommen war, zog Orson seine Knie bis zur
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