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Bruderherz

Titel: Bruderherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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würde.
    Während ich die Antwort-E-Mail an Luther schrieb, machte ich mir Sorgen, dass sie zu sehr von Orsons Format und Stil abweichen würde, aber ich riskierte es dennoch:
     
    ›Von: ‹[email protected].›
    ›Datum: Sa, 9. Nov. 1996 13:56:26 – 0500 (EST)
    ›An: ‹[email protected]
    ›Betreff:
    ›
    ›L –
    ›
    ›Fahr nach Sas. Wenn nötig, kümmre ich mich später um die
    ›Ls. Ich fahre auch kreuz und quer durchs Land, du weißt
    ›wohin. Sollen wir uns irgendwo auf dem Weg treffen,
    ›entweder morgen Abend spät oder Montag, und erzähl mir
    ›von diesem Strpr.
    ›
    ›O
     
    Ich ging zurück ins Fernsehzimmer und zog zwei Ampullen Ativan in eine Spritze auf. Ich stieß die Nadel tief in einen Muskel von Orsons nacktem Hintern. Als ich bereits wieder auf dem Weg zur Tür war, rief er meinen Namen, doch ich blieb nicht stehen. Stattdessen ging ich die Treppe hinauf zum Gästezimmer, denn ich wollte nicht in seinem Bett schlafen. Die Matratze war alt und unbequem, doch da ich mittlerweile mehr als dreißig Stunden auf den Beinen war, hätte ich sogar auf zerbrochenem Glas schlafen können. Durch das Fenster konnte ich hören, wie die Turmglocke der Universität zwei Uhr schlug, wie die Vögel miteinander stritten, der Wind in den Baumkronen rauschte und die Autos unten im Tal fuhren – die Geräusche eines Städtchens in New England an einem Samstagnachmittag. Ich bin so, so weit entfernt davon.
    Kurz vor dem Einschlafen wanderten meine Gedanken zu Beth Lancing und ihren Kindern. Ich versuche, eure Leben zu retten, aber ich habe euch den Ehemann und Vater geraubt. Und mir selbst des besten Freund. Ich überlegte, ob sie wohl schon spürte, dass er nicht mehr da war.

Kapitel 28
     
    Um halb zwei morgens ging ich die Treppe hinunter, nachdem ich elfeinhalb Stunden durchgeschlafen hatte. Das Haus war absolut still. Das Einzige, was ich in dieser nächtlichen Ruhe kurz vor Sonnenaufgang hören konnte, war das gleichmäßige mechanische Ticken der Küchengeräte.
    Nachdem ich die Kaffeemaschine angestellt hatte, warf ich einen Blick in das Fernsehzimmer. Orsons Stuhl war umgefallen. Er war bewusstlos, nackt und immer noch an den nun liegenden Stuhl gefesselt. Er sah schwach und hilflos aus und für einen kurzen Moment hatte ich Mitleid mit ihm.
    Barfuß ging ich hinüber in seine Bibliothek und setzte mich an den Schreibtisch. Als der Monitor durch die statische Energie knisternd zum Leben erwachte, sah ich, dass Orson eine E-Mail empfangen hatte. Ich gab das Passwort ein und öffnete die neue Nachricht:
     
    ›Von: ‹[email protected]
    ›Datum: So, 10. Nov. 1996 01:02:09 – 0500 (EST)
    ›An: David Parker ‹[email protected]
    ›Betreff:
    ›
    ›O –
    ›
    ›Bin vielleicht Montagab. in SB. Ruf an, wenn du Nbrsk
    ›erreichst, und wir entscheiden dann wegen Treffen.
    ›
    ›L
     
    Ich schaltete den Computer aus, ging zurück ins Fernsehzimmer und gab Orson eine weitere Spritze. Dann ging ich nach oben und nahm eine Dusche.
    Das warme Wasser fühlte sich makellos rein an. Nachdem ich die Schnitte in meinem Gesicht mit einer Rasierklinge gesäubert hatte, genoss ich noch eine Weile den Fluss des Wassers, lehnte mich gegen die nassen Fliesen, hielt den Kopf gebeugt und beobachtete, wie es mit dem Blut unter meinen Füßen in den Abfluss lief.
    Es würde eine Weile dauern, bis sich der Dampf aus dem Badezimmer verzog, deshalb setzte ich mich solange aufs Klo und durchsuchte Orsons Brieftasche – wieder etwas aus seinem Besitz, was mit meinem identisch war. Ich holte seinen Führerschein heraus und legte ihn auf das Waschbecken. Das Bild sah mir nicht im Mindesten ähnlich. Sein Haar war kurz und braun und sein Gesicht glatt rasiert. Ich stand auf und wischte das Kondenswasser vom Spiegel.
    Mein grauer, kräuseliger Bart war beachtlich gewachsen. Mein Haar war ein wenig verwuschelt und diese letzte Marathondusche hatte die Farbe ziemlich ausgewaschen. Als Erstes rasierte ich mich und entfernte dabei auch die Koteletten, was meinen Anblick schon erheblich verbesserte. Der Rasierer verfügte über ein Extramesser zum Scheren, daher stieg ich wieder in die Dusche und rasierte mir den Kopf.
    Als ich damit fertig war, schaute ich erneut in den Spiegel – viel, viel besser.
    »Hallo, Orson«, sagte ich lächelnd.

 
     
     
     
    Vierter Teil

Kapitel 29
     
    Noch vor Sonnenaufgang lud ich Orson am Sonntag in den Kofferraum des Lexus und fuhr die Auffahrt seines Hauses in Woodside

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