Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bruderherz

Titel: Bruderherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
Vom Netzwerk:
entflammte.
    Ich trat einen Schritt zurück und schaltete den Ton aus. »Ich glaube, du lügst.«
    »Andy«, sagte er japsend, »meine Videos, meine Fotos, alles, was ich gegen dich benutzen kann – es ist alles dort draußen.«
    »Wo dort draußen? In der Hütte?«
    »Bring mich nach Wyoming und ich zeig es dir.«
    »Sieht aus, als magst du diese Feuerspiele.«
    »Nein! Nicht! Hör zu. Auch wenn du mich weiter folterst und ich dir alles sage, kannst du es nur überprüfen, wenn du dort rausfährst. Glaub mir, anders geht es nicht. Also, denk darüber nach.«
    »Du glaubst, ich würde dich bis nach Wyoming schleppen?«
    »Wie willst du sonst die Hütte finden? Meine Piste liegt mitten im Nirgendwo. Von einem bestimmten Punkt aus muss man den Meilenstand im Auge behalten, um überhaupt eine Chance zu haben, das Ding zu finden, und ich werde dir nicht sagen, wo dieser Punkt ist. Nicht hier. Nichts zu machen. Du brauchst mich; ich brauche dich; lass uns auf die Reise gehen.«
    »Ich werde sie alleine finden.«
    »Wie?«
    »Ich habe dich gefunden.«
    Er schnaubte. »Dieser verdammte Cowboy!«
    Ich überlegte, ob ich die Flamme so lange an Orsons Auge halten sollte, bis er schrie, wo genau in der Hütte oder Scheune ich das Drum und Dran seiner Besessenheit finden würde. Aber er hatte Recht – ich würde nicht eher wissen, ob er die Wahrheit gesagt hatte, bis ich selbst dort draußen war.
    Ich wollte ihn nach meiner Mutter fragen und welche Falle er mir gestellt hatte, aber ich hatte Angst, dass ich genau wie Walter von der Wut übermannt würde, und es gab schließlich noch Dinge, die ich wissen musste.
    »Wo ist Luther?«, fragte ich.
    »Weiß ich nicht. Luther zieht umher.« In seiner Stimme schwang Unbehagen mit.
    »Wie verständigt ihr euch?«
    »E-Mail.«
    »Wie lautet dein Passwort?« Ein Teil in mir hoffte, er würde die Antwort verweigern. Ich ließ das Feuerzeug aufschnappen.
    »W-B-A-S-S.«
    »Bete, dass er ihnen noch nichts getan hat.« Ich stand auf und öffnete die Tür.
    »Andy«, sagte Orson. »Kann ich bitte noch etwas von dem haben, was du mir gegeben hast? Es tut höllisch weh.«
    »Es soll wehtun.«
    Ich ging durchs Wohnzimmer in Orsons Bibliothek und schaltete den Computer ein. Sein Passwort verschaffte mir Zugang zu seinem Briefkasten. Sechs neue Mails: fünf Spams und eine von LK72:
     
    ›Von: ‹[email protected]
    ›Datum: Fr, 8. Nov. 1996 20:54:33 – 0500 (EST)
    ›An: David Parker ‹[email protected]
    ›Betreff:
    ›
    ›O –
    ›
    ›Werde zappelig. Muss bald nach Norden fahren. Frag
    ›mich nach Strpr im Stlns. Komisches Zeug! AT ist immer
    ›noch verschwunden. Genau wie WL. Weiß nicht, wo L.
    ›sind. Warte aber, wenn du willst. Ansonsten muss ich
    ›jemanden oben in Sas. besuchen. Alles noch im grünen
    ›Bereich. Wow! Freue mich auf OB.
    ›
    ›L
     
    Ich durchsuchte Orsons lokale Ordner – Posteingang, gesendete Objekte, gelöschte Objekte –, doch er archivierte und sicherte nichts. Dann druckte ich mir die aktuelle E-Mail aus und nahm sie mit ins Fernsehzimmer.
    »Entschlüssel mir das«, befahl ich und legte die kryptische E-Mail in Orsons Schoß. »Sie ist von Luther, nicht wahr?«
    »Ja, die ist von ihm.«
    »Dann lies sie mir so vor, dass sie Sinn ergibt.«
    Er schaute auf das Blatt und las mit matter, niedergeschlagener Stimme: »›Orson, ich werde langsam zappelig. Muss bald nach Norden fahren. Frag mich nach dem Stripper im Stallion’s. Komisches Zeug. Andrew Thomas ist immer noch verschwunden. Genau wie Walter Lancing. Weiß immer noch nicht, wo die Lancings stecken. Ich warte aber, wenn du willst. Ansonsten gibt es jemanden, den ich in Saskatchewan besuchen muss. Immer noch alles im grünen Bereich. Wow. Freue mich auf die Outer Banks. Luther.‹ Das war’s.«
    »Dann ist er immer noch in North Carolina und wartet darauf, dass du ihm sagst, was er wegen der Lancings unternehmen soll?«
    »Ja.«
    Nachdem ich zu dem Schreibtisch in seiner Bibliothek zurückgekehrt war, starrte ich einen Moment durch das Fenster auf eine Frau, die auf der anderen Straßenseite das Laub auf ihrem Rasen zusammenrechte. Während ich mir im Kopf eine E-Mail zurechtbastelte, wurde mir plötzlich klar, was ich tun würde – wegen Luther, den Fotos und sogar wegen Orson. Es war wie eine Erleuchtung und ähnlich den Erfahrungen, die ich beim Schreiben meiner Romane gemacht hatte. Wenn ich mich tief in eine Geschichte verstrickt hatte, wusste ich plötzlich, wie es weitergehen

Weitere Kostenlose Bücher