Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bruderherz

Titel: Bruderherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
Vom Netzwerk:
das Lenkrad und trat das Pedal komplett durch. Der Motor heulte auf und die Räder wirbelten den Schnee und danach kurz Sand auf. Der Lexus rutschte nach vorne in den frischen Schnee, anschließend ließ ich meinen Fuß so lange auf dem Gaspedal, bis die Motordrehzahl im roten Bereich war und ich roch, dass der Motor kochte. Die Reifen fanden keine Bodenhaftung mehr, und nachdem der Motor endgültig überhitzt war, schaltete ich ihn aus und riss den Schlüssel aus dem Zündschloss.
    Ich öffnete meine Tür und rannte hinaus in das Unwetter. Der Sturm verwandelte die Schneeflocken in eisige Nadeln, die mir unbarmherzig ins Gesicht stachen. Das Eis sickerte in meine Turnschuhe, ich bückte mich und kratzte fünfzehn Zentimeter Schnee weg. Vielleicht stehe ich ja auf der Piste. Meine Hände taten weh, während ich mich durch den Schnee arbeitete. Als ich schließlich auf Sand stieß, war dieser viel zu locker, um fahrbarer Untergrund zu sein.
    Ich starrte in den wütenden weißen Nebel hinauf und schrie, bis meine Kehle schmerzte. Ich spürte, wie mein Gesicht vor Kälte brannte und der Schnee meine Schuhe durchweichte. Das ist alles nicht wahr, dachte ich, obwohl mich die Angst, hier draußen mit ihm festzusitzen, zu ersticken drohte. Das kann nicht wahr sein.

Kapitel 32
     
    Ich stieg wieder in den Lexus und zog meine nassen Sachen aus. Nachdem ich sie in den hinteren Fußbereich geworfen hatte, öffnete ich meinen Koffer und zog eine saubere Unterhose, zwei Paar Socken und einen Jogginganzug an, den ich ursprünglich statt eines Schlafanzugs eingepackt hatte.
    »Soll ich den Motor wieder anstellen?«, fragte ich. »Oder ruiniert das die Batterie?«
    »Sollte es nicht. Aber warte noch damit, zumindest bis es da draußen stockdunkel ist. Wir müssen wegen der Heizung noch die ganze Nacht den Motor laufen lassen.« Vom Betäubungsmittel noch immer etwas benommen, lehnte er sich wie in Zeitlupe gegen das Fenster. »Wie viel Sprit haben wir noch?«
    »Den halben Tank voll.«
    Orson legte seine Beine hoch und drehte sich mit dem Rücken zu mir auf die Seite.
    »Ist dir kalt?«, fragte ich.
    »Ein bisschen.«
    Ich kramte eine Jogginghose, Wollsocken und ein graues Sweatshirt mit einem blauen Aufdruck der Universität von Carolina aus Walters Koffer und legte die Sachen in Orsons Schoß. Dann nahm ich den Revolver, der zu meinen Füßen gelegen hatte, und holte den Schlüssel für die Handschellen aus meiner Tasche.
    »Ich werde die Handschellen aufschließen, damit du dir den ekligen Bademantel ausziehen kannst«, erklärte ich. »Danach werden sie sofort wieder angelegt.« Nachdem ich die Handschellen von seinen Handgelenken entfernt hatte, zog er den Bademantel aus, ließ ihn zu seinen Füßen fallen und zog Walters Sachen über. Als ich ihm die Handschellen wieder anlegen wollte, sagte er: »Warte eine Sekunde.« Er zog die Jogginghose etwas herunter, um die Brandwunde an seinem Oberschenkel begutachten zu können. »Es tut weh«, erklärte er, und nachdem er an den Rändern der schokotalergroßen Brandblase gekratzt hatte, zog er die Hose wieder hoch, legte seine Hände auf den Rücken und ließ sich wieder fesseln.
    Ich drehte die Rückenlehne herunter und lauschte, wie der Wind um das Auto fegte. Blitze zuckten vor dem schneeverhangenen Abendhimmel und der Donner ließ nicht auf sich warten.
    »Orson«, begann ich. »Ich möchte, dass du mir sagst, warum du unsere Mutter umgebracht hast.«
    »Du weißt es.« Er hatte Recht.
    »Ich möchte, dass du es aussprichst. Ich bin wegen Walters Familie hinter dir her. Vielleicht auch nur für mich selbst.«
    »Ich war sicher, dass du das tun würdest.«
    »Du bist der letzte Abschaum. Ich habe meine eigene Theorie. Willst du sie hören?«
    »Klar«, antwortete er und starrte hinaus in den Sturm.
    »Weil sie dich auf die Welt gebracht hat.«
    Er schaute mich an, als hätte ich ihn dabei erwischt, wie er an Unterhöschen rumschnüffelte.
     
    Die Temperatur im Wagen war bereits deutlich gefallen, als ich aus dem Lebensmittelvorrat eine Schachtel Ritz Crackers, einen zylinderförmigen italienischen Käse und eine Flasche Cabernet Sauvignon fischte.
    »Wir werden ihn nicht trinken können«, erklärte ich. »Ich habe keinen Korkenzieher.«
    »Im Handschuhfach liegt ein Taschenmesser, da ist einer dran«, meinte Orson.
    Ich fand das Schweizer Armeemesser unter einem Stapel Straßenkarten, entkorkte die Flasche und trank gierig von dem würzigen Wein. Anschließend riss ich die

Weitere Kostenlose Bücher