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Bruderherz

Titel: Bruderherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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Schachtel mit den Crackern auf und breitete sie auf meinen Beinen aus.
    »Hast du Hunger?«, fragte ich, während ich den geräucherten Käse mit der stumpfen Klinge bearbeitete. »Hier.« Ich steckte eine Käsescheibe zwischen zwei Cracker und schob sie ihm in den Mund. Dann lehnte ich mich in meinen Sitz zurück und beobachtete, wie die Nacht hereinbrach.
    Als die Windschutzscheibe zufror, blieb auch dort der Schnee liegen. Der Wind blies so heftig, dass die Schneeflocken bald an allen Scheiben hafteten und wir innerhalb einer Viertelstunde nichts mehr von dem Schneesturm um uns herum erkennen konnten. Nur das konstante schrille Pfeifen und die unerbittliche Kälte erinnerten uns an seine Allgegenwart.
    Orson bemerkte die blutbefleckten Kleidungsstücke zu seinen Füßen.
    »Andy«, fragte er, »ist das Blut von Luther?« Ich nickte. »Wow, wo hast du es getan? Im Ricki’s?«
    »Wir wollten uns um neun dort treffen. Ich bin um sechs hin, um bei der Barkeeperin die Nachricht zu hinterlassen, dass du es nicht schaffen würdest. Luther spazierte rein, als ich gerade gehen wollte. Wenn er nicht so früh gekommen wäre…«
    »Er kam so früh, weil er wusste, dass irgendwas nicht stimmte.«
    »Woher weißt du das?«
    »Er ist schlau. Aber du auch. Du hattest deine Waffe. Sonst würdest du jetzt gerade sterben.«
    »Bist du traurig, dass er tot ist?«
    »Nein. Aber das richtet sich nicht gegen ihn. Wir haben eine Menge zusammen gemacht.«
    »Nun, ich bin froh, dass er tot ist.«
    Orson lächelte. »Er war dir gar nicht so unähnlich, Andy.«
    »Klar.«
    »Ich bin in sein Leben getreten, so wie ich in dein Leben getreten bin. Er hat nur etwas schneller gelernt.«
    Ich starrte Orson sprachlos an.
    »Du weißt, was du getan hast, ist schlimmer, als wenn du mich einfach getötet hättest«, sagte ich. »Du hast mich zerstört. Du hast mir meine Mutter genommen und meinen besten Freund. Ich kann nicht mehr nach Hause. Es gibt keine Rückkehr für mich.«
    »Nein, ich habe dich errettet, Andy. Dein Zuhause war eine Täuschung. Du läufst nicht mehr verblendet umher wie all die anderen, blind gegenüber diesem schwarzen Loch, das du Herz nennst. Sei dankbar. Im Gegensatz zu den meisten Menschen weißt du jetzt, wozu du fähig bist. Wir leben aufrichtig, du und ich. Wahrheit, Andy. Wie hat es Keats ausgedrückt? Er hat es Schönheit genannt. Nicht einfach schöne Wahrheit. Wir haben schwarze Herzen, aber ihnen wohnt Schönheit inne.«
    Wir verschlangen die ganze Schachtel Cracker und fast den ganzen Käse. Der Wein minderte meine Wachsamkeit, deshalb trank ich ihn nur noch zurückhaltend.
    Als wir mit dem Essen fertig waren, öffnete ich den Reißverschluss meiner Gürteltasche. Mir blieben noch zwei Ampullen Ativan und zwei Ampullen Valium, doch da Ativan das sicherere Mittel war, zog ich es vor.
    »Andy«, sagte er, während ich die Nadel in die erste Ampulle stach und die Spritze aufzog.
    »Was?«
    »Erinnerst du dich an den Sommer, als sie in dem Tunnel unter der Interstate hinter unserem Haus den Mann gefunden haben?«
    »Ja, daran erinnere ich mich.«
    Orson setzte sich auf und starrte mich an, dabei hielt er den Kopf schief, so als sei er tief in Gedanken versunken. Ich zog den Inhalt der zweiten Ampulle auf und klopfte gegen die Spritze. Es wurde immer dunkler im Wagen – nicht einmal mehr Zwielicht.
    »An was erinnerst du dich?«, wollte er wissen.
    »Komm schon, Mann, ich bin müde…«
    »Sag mir nur, an was du dich erinnerst.«
    »Wir waren zwölf. Es war Juni.«
    »Juli.«
    »Gut, Juli. Ach ja, um den Vierten herum. Ja, es war der Vierte, als sie ihn fanden. Ich erinnere mich an den Abend damals. Ich hab im Garten hinterm Haus gesessen und mit einem Gartenschlauch in der Hand beobachtet, wie drei Polizeiwagen um die Ecke bogen. Die Polizisten sind mit zwei Deutschen Schäferhunden durch unseren Garten gerannt. Vater grillte gerade Hamburger, und wir sahen zu, wie die Männer im Wald verschwanden. Ein paar Minuten später haben die Hunde wie verrückt gebellt, und Vater meinte: ›Klingt, als ob sie gefunden hätten, was immer sie gesucht haben.‹«
    Orson lächelte. »Willard Bass.«
    »Was?«
    »So hieß der, den sie in dem Tunnel gefunden haben.«
    »Ich kann nicht glauben, dass du dich noch an seinen Namen erinnerst.«
    »Ich kann nicht glauben, dass du dich nicht mehr daran erinnerst.«
    »Warum sollte ich?«
    Orson schluckte und blickte mich misstrauisch an. »Er hat mich vergewaltigt, Andy.«
    Donner ließ

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