Bruderkampf
zurück und wischte sich die Hände an der Hose ab. »Hören Sie, Neale. Wenn wir Sie durch das Loch kriegen, können Sie dann am Bugstag entlangklettern?«
Neale nickte. »Ich werde es versuchen, Sir.«
»Die anderen sind im Kabelgatt eingesperrt. Während ich die Wachen ablenke, öffnen Sie die Tür und lassen sie heraus.« Er legte dem Jungen die Hand auf die Schulter. »Aber wenn Sie entdeckt werden, dann vergessen Sie, was ich gesagt habe.
Springen Sie über Bord und schwimmen Sie um Ihr Leben an Land. So schnell holt Sie niemand ein.« Und zu den anderen: »So, und nun helfen Sie mir!«
Neale war so glitschig wie ein Fisch, und beim ersten Versuch hätten sie ihn fast fallengelassen. Herrick schlug vor: »Zuerst den einen Arm, Neale, dann den Kopf.« Sie versuchten es nochmals. Der Laderaum lag in totaler Finsternis, während sie den sich windenden Fähnrich durch das Lüftungsloch preßten. Er stöhnte vor Schmerzen, und Proby sagte: »Welch ein Glück, daß er nicht dicker ist.«
Noch ein letzter Ruck, dann war er hindurch. Sie warteten ein paar bange Sekunden auf einen Anruf von Deck. Dann erschienen Neales Augen in der Lüftungsluke. Sein Gesicht war hochrot, und seine aufgescheuerte Schulter blutete. Aber er wirkte seltsam entschlossen.
»Machen Sie alles in Ruhe, Neale. Und riskieren Sie nichts Unnötiges!« sagte Bolitho leise.
Neale verschwand, und Herrick sagte: »Nun ist er wenigstens aus dem Ganzen heraus, falls es zum Schlimmsten kommt.«
Bolitho blickte ihn scharf an. Es war beinahe, als habe Herrick seine Gedanken gelesen. Er erwiderte ruhig: »Eher schicke ich die Phalarope zur Hölle, als daß ich sie dem Feind in die Hände fallen lasse, Mr. Herrick. Darüber seien Sie sich klar.«
Danach setzte er sich hin und wartete stumm.
John Allday lehnte sich erschöpft gegen einen großen Felsbrocken und rang nach Atem. Ein paar Schritte entfernt lag Bryan Ferguson wie eine Leiche. Kopf und Schultern tauchten in den kleinen Teich, während er in tiefen Zügen trank und nur innehielt, um keuchend Luft zu holen. Alldays Blicke tasteten den Dschungel niedriger Bäume ab, durch den sie gekommen waren. Noch kein Zeichen irgendwelcher Verfolger, doch er zweifelte nicht daran, daß man bereits Alarm geschlagen hatte.
»Ich habe dir noch gar nicht gedankt, Bryan«, sagte er. »Was du getan hast, war unbesonnen.«
Ferguson rollte sich auf die Seite und sah ihn mit glasigen Augen an. »Ich mußte es tun. Ich mußte es einfach.«
»Jetzt geht's auch um deinen Kopf, Bryan.« Allday betrachtete ihn kummervoll. »Aber zumindest sind wir frei. Und solange man frei ist, kann man hoffen.«
Er hatte in seiner finsteren Zelle gelegen und auf die vertrauten Geräusche gelauscht: Boote füllten sich mit Männern und stießen vom Rumpf der Fregatte ab. Stille auf dem leeren Schiff. Dann plötzlich ein Schreckensschrei. Ein Körper schlug schwer gegen die Tür. Ferguson zerrte sie auf. Seine Hände zitterten, als er die Handschellen aufschloß, und sein Mund war schlaff vor Furcht, als er kaum verständlich von Flucht stammelte.
Kurz vor Anbruch der Dämmerung waren sie geräuschlos in das kühle Wasser geglitten. Wie so viele Seeleute, konnte Allday kaum schwimmen. Aber Ferguson, von verzweifelter Angst getrieben, half ihm. Hustend und keuchend erreichten sie endlich die Sicherheit des Ufers. Fast wortlos rannten sie los, krochen durch dichtes Gebüsch, kletterten über herabgestürzte Felsen, ohne auch nur einmal anzuhalten, um zurückzublicken oder zu lauschen. Jetzt befanden sie sich zwischen zwei niedrigen Hügeln, und die Erschöpfung hatte sie zu einem Halt gezwungen.
»Komm«, sagte Allday, »wir müssen weiter. Den Hügel hinauf. Dort sind wir sicherer. Von der Spitze sieht man bestimmt meilenweit.«
Ferguson starrte Allday noch immer an. »Du hattest recht, Onslow ist ein schlechter Kerl. Ich dachte, er meinte es gut mit mir, und habe ihm gesagt, was im Logbuch des Kapitäns stand.
Ich habe ihm erzählt, wo sich das Schiff befand.« Er kam taumelnd auf die Füße und folgte Allday langsam den Abhang hinauf. »Jetzt wird mir keiner mehr glauben. Ich bin genauso schuldig wie er.«
»Wenigstens weißt du, daß ich den Zahlmeister nicht umgebracht habe.« Allday blinzelte in die Sonne. »Viel weiter kommen wir nicht mehr. Bald Zeit, daß wir uns verstecken.«
»Onslow hat damit geprahlt.« Ferguson überlief von neuem ein Schauder. »Nachdem sie dich eingelocht hatten, hörte ich, daß er mit Pook
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