Bruderkampf
stumm. Er begriff nicht, worauf der andere hinauswollte.
Allday nahm Fergusons Hand und umschloß sie fest. »Sie würde bestimmt nicht gern an einen Meuterer denken, wenn sie sich an dich erinnert, Bryan, nicht wahr?« Er sah, daß Ferguson kurz den Kopf schüttelte, und bemerkte die Tränen auf den sonnenverbrannten Wangen. »Und ebenso ungern würde sie an dich als den Mann denken, der sein Schiff dem Feind in die Hand fallen ließ, ohne einen Finger zu rühren.« Er stand langsam auf und zog Ferguson hoch. »Wirf einen Blick auf diese Schiffe, Bryan, und dann sage mir, was zu tun ist. Du hast mir das Leben gerettet. Dafür zumindest bin ich in deiner Schuld.«
Ferguson starrte auf die tanzenden Spiegelungen, durch Furcht und Schrecken zu verwirrt, um den Sinn hinter Alldays leisen Worten zu begreifen. »Du möchtest, daß ich mit dir zurückgehe?« Es klang sehr verloren, doch er mußte es wiederholen. »Mit dir zurückgehe . . .?«
Allday nickte. Seine Blicke ruhten noch immer auf Fergusons zerquältem Gesicht. »Wir müssen zurück, Bryan. Du begreifst das jetzt, nicht wahr?« Er legte Ferguson die Hand auf den Arm, ließ einige Sekunden verstreichen und ging dann den Abhang hinab, ohne sich umzublicken. Er wußte, daß Ferguson ihm folgte.
Bolitho merkte, daß sich sein Nackenhaar leicht bewegte. Er erhob sich, sah zu dem Lüftungsloch hoch und sagte nach einigen Sekunden: »Spüren Sie es? Der Wind!«
»Okes kann nie und nimmer rechtzeitig zurück sein«, sagte Herrick. »Und selbst wenn, dann . . .«
Bolitho legte einen Finger auf seine Lippen. »Still! Es kommt jemand.« Er ergriff hastig Neales Kleidungsstücke und stopfte sie durch das Lüftungsloch.
Die Tür knarrte, und Pook spähte hinein. Er fuchtelte mit einer Pistole. »An Deck. Alle!« Seine Augen glänzten, und sein Hemd war voller Rumflecken. Dann blickte er sich suchend um und brüllte: »Wo, zum Teufel, ist der Kleine?«
»Durch das Lüftungsloch«, sagte Bolitho. »An Land geschwommen.«
»Wird ihm auch nichts nützen«, lallte Pook. »Verhungert er eben mit den übrigen.«
Fluchend und mit sich selbst redend trieb er die drei Offiziere an Deck. Onslow und einige seiner Getreuen standen beim Ruder. »Reizen Sie ihn nicht«, flüsterte Bolitho Herrick zu. »Er sieht schon so gefährlich genug aus.«
Onslow war die Anspannung anzumerken. Als Bolitho und die anderen die Achterdeckreling erreichten, bellte er: »Also los! Bringen Sie das Schiff in Fahrt.« Er zielte auf Herricks Leib und setzte drohend hinzu: »Ich erschieße ihn, wenn Sie mich hinters Licht führen wollen.«
Bolithos Blicke flogen über das Hauptdeck, und er merkte, daß seine Zuversicht schwand. Etwa zwanzig Mann starrten herauf. Alle, die von der Cassius gekommen waren, und einige von der Phalarope, die als vertrauenswürdig gegolten hatten.
Wie er zu Neale gesagt hatte: Pech, daß gerade diese Männer an Bord blieben, während verläßlichere Leute mit den Wasserfässern an Land kommandiert worden waren.
Normalerweise hätte es nichts ausgemacht. Er biß sich auf die Lippen. Diesmal jedoch entschied es über Tod und Leben.
Er nickte Proby zu. »Bramsegel und Klüver, Mr. Proby.« Und zu Onslow: »Wir brauchen mehr Leute, um den Anker zu lichten.«
Onslow bleckte die Zähne. »Ganz gut, der Versuch, aber nicht gut genug. Ich werde die Kette kappen.« Er schwenkte die Pistole. »Für die Segel reichen die Leute.« Sein Kinn schob sich vor. »Noch so ein Trick, und ich lege den Leutnant um.« Er zielte wieder auf Herrick. »Machen Sie weiter – Sir !«
Bolitho spürte die Sonne auf dem Gesicht und bemühte sich, mit dem überwältigenden Gefühl der Niederlage fertigzuwerden. Er konnte nichts machen. Neales Leben hatte er schon aufs Spiel gesetzt. »Na gut, Onslow«, sagte er tonlos.
»Aber ich hoffe, daß Sie es noch bedauern.«
Von vorn rief jemand: »Da! Am Strand sind welche!«
Onslow fuhr herum. Seine Augen funkelten. »Bei Gott, ein Boot legt ab.«
Bolitho sah zum Ufer. Die Jolle der Phalarope kam vom Strand klar und bewegte sich auf das Schiff zu. Es saßen nur zwei Mann im Boot. Sicher war bei der Landungsabteilung Panik ausgebrochen, als die Leute sahen, daß die Phalarope ohne sie lossegeln wollte. Mehrere Meuterer waren bereits aufgeentert, und ein Klüversegel flatterte ungeduldig in der auffrischenden Brise. Bolitho bemerkte, daß immer mehr Leute am grünen Rand des hohen Ufers auftauchten. Die Klinge eines gezogenen Degens blitzte.
Onslow
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