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Bruderkampf

Bruderkampf

Titel: Bruderkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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hinzu. »Sei unbesorgt.« Er wand sich hastig ab, um dem Jungen die eigene Ungewißheit zu verbergen.
    Am Rad sang Proby aus: »Kurs Südsüdwest. Voll und bei!«
    Dann, wie um die Langeweile der Reise abzukürzen, ging er zur Leereling und spuckte ins Meer.

Fleisch für den Proviantmeister
    Zwanzig Tage, nachdem die Phalarope Anker gelichtet hatte, kreuzte die Fregatte den dreißigsten Breitengrad und krängte abscheulich in einem tobenden Nordweststurm. Falmouth lag dreitausend Meilen zurück, aber der Nordwest hielt das Schiff mit seinen Überraschungen und Grausamkeiten noch immer in seinen Klauen.
    Als es vom Vordeck ein Glasen schlug und die stumpfe, kupferfarbene Sonne den Horizont erreichte, pflügte die Fregatte durch endlose, mit weißem Schaum gekrönte Wogen, ohne Sorge oder Wissen um die Männer, die ihr Stunde um Stunde, Tag für Tag dienten. Eine Wache war kaum nach unten entlassen, als die Maaten auch schon von Niedergang zu Niedergang rannten. Ihre Pfeifen schrillten, und ihre Stimmen überschrien heiser das Donnern der Segel und das unaufhörliche Rauschen des Spritzwassers.
    »Alle Mann an Deck! Alle Mann an Deck zum Segelreffen!«
    Später, steif und benommen von dem Hantieren in schwindelnder Höhe, krochen die Männer wieder herab. Der Körper war ein einziger Schmerz, die Finger waren steif und bluteten von dem Kampf mit der widerspenstigen Leinwand.
    Die Freiwache duckte sich im Halbdunkel des Logis, klammerte sich an, wo es nur ging, und lauschte auf den Anprall der Wogen, während sie versuchte, ihr Abendessen zu verzehren. Die an den Decksbalken pendelnden Laternen warfen sonderbare Schatten über die gebeugten Köpfe, und Lichtflecke hoben einzelne Gesichter oder Gesten heraus.
    Die Luken waren dicht, und die Luft war dick und mit Gerüchen gesättigt. Der Geruch des Bilgewassers vermischte sich mit dem säuerlichen Gestank von Schweiß und Erbrochenem. Alles vibrierte und dröhnte, während das Schiff seinen Kampf mit dem Atlantik ausfocht. Der ständige Anprall der Wellen, das triumphierende Gurgeln der Sturzseen, das unaufhörliche Knarren der Spanten und das Summen der straffen Stagen ließ die Männer kaum einen Augenblick Ruhe oder Schlaf finden.
    John Allday saß rittlings auf einer der langen, geschrubbten Bänke und nagte an einem zähen Stück Salzfleisch. Seinen kräftigen Zähnen kam es wie Leder vor, aber er zwang sich, es zu essen und nicht an das stinkende Faß zu denken, aus dem es stammte. Wo ihn Brocks Stock gezeichnet hatte, zog sich jetzt eine häßliche Narbe über die Wange. Als er auf dem Fleisch herumkaute, spannte sich die Haut, und die Narbenränder, die Salzwasser und eisiger Wind wie mit groben Stichen zusammengezogen hatten, schmerzten.
    Ohne zu blinzeln, beobachtete ihn über den Tisch hinweg ein riesiger Seemann mit gewaltigen Schultern: Pochin. Er brach das Schweigen und sagte: »Du hast dich ganz gut eingewöhnt, mein Junge.« Er lächelte freudlos. »Das ganze Spektakel, das du bei der Aushebung angestellt hast, war für die Katz.«
    Allday warf einen Knochen auf seinen Zinnteller und wischte sich die Finger mit einem Stück Hanf ab. Er musterte den anderen mehrere Sekunden lang fest, ehe er antwortete: »Ich kann warten.«
    Pochin starrte ins Dämmerlicht. Mit erhobenem Kopf lauschte er auf das Würgen einiger Männer. »Wie ein Haufen Weiber.«
    Er sah Allday an. »Ich hab' vergessen, daß du den Rummel von früher kennst.«
    Allday zuckte mit den Schultern und sah auf seine Handflächen. »Den Teer wird man nie los, nicht?« Er lehnte sich an die Spanten und seufzte. »Zuletzt war ich auf der Resolution, vierundsiebzig Geschütze. Als Fockmann.« Er schloß die Augen. »Ein anständiges Schiff. Wir musterten ein paar Monate vor der amerikanischen Revolution ab. Und ehe ein Preßkommando die Hand auf mich legen konnte, hatte ich mich schon verdrückt.«
    Ein alter, grauhaariger Mann mit verblaßten blauen Augen sagte heiser: »Bist du wirklich Schäfer gewesen?«
    Allday nickte. »Das und anderes. Ich mußte im Freien sein, weg von den Städten. Unter einem Dach war' ich erstickt.« Er lächelte ein wenig. »Bin hin und wieder nach Falmouth rein, das war lange genug für eine Frau und ein Glas oder zwei.«
    Strachan, der alte Seemann, schob die Lippen vor und flog gegen den Tisch, als sich das Schiff jäh überlegte und die Teller durch das Logis trudelten. »Hört sich nach 'nem schönen Leben an, Junge.« Es klang weder sehnsüchtig noch neidisch, war

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