Bruderkampf
Fleisch, das in einem Lichtfleck schimmerte.
Evans sagte scharf: »Sie, wie Sie auch heißen, essen Sie es!
Los!«
Ferguson stierte auf das Fleisch, der Kopf schwamm ihm vor Übelkeit. Die Planken waren fleckig und schmutzig von Dingen, die vom Tisch gerutscht waren, wenn das Schiff überholte. Dazwischen Erbrochenes. Vielleicht das, was er selber erbrochen hatte.
»Ich warte, mein Junge«, sagte Evans sanft. »Noch eine Minute, und ich bringe dich nach achtern. Die Katze wird dir beibringen, das Essen zu schätzen.«
Ferguson kniete sich hin und griff nach dem Fleisch. Als er es an den Mund hob, schoß Betts vor, riß es ihm aus den Händen und warf es Evans an den Kopf. »Essen Sie es selber, Sie verdammter Teufel! Lassen Sie ihn in Ruhe.«
Einige Sekunden lang verrieten Evans dunkle Augen Furcht.
Die Männer hatten sich dicht an ihn herangedrängt. Ihre Körper hoben und senkten sich mit jedem Rollen des Schiffes wie eine Woge aus Menschenleibern. Er spürte die Drohung, empfand plötzlich eisigen Schrecken.
Da schnitt eine andere Stimme durch die Schatten.
»Auseinander!« Fähnrich Farquhar mußte unter den niedrigen Balken gebückt stehen, aber seine Augen waren fest und klar, als sie sich auf das erstarrte Bild am Ende des Tisches richteten.
Farquhar war heimlich und so leise eingetreten, daß ihn selbst die Männer auf der entgegengesetzten Seite nicht bemerkt hatten. »Ich warte«, fauchte er. »Was geht hier vor?«
Evans stieß die Männer, die am nächsten standen, beiseite und schnellte zu Farquhar herum. Seine Hände zitterten vor Furcht und Wut, als er auf Betts zeigte. »Er hat mich angegriffen. Mich, einen Unteroffizier.«
Farquhars Ausdruck war undurchsichtig. Hinter seinen zusammengepreßten Lippen und seinem kalten Blick konnte ebensogut Belustigung wie Ärger stecken. »Gut, Mr. Evans.
Seien Sie so freundlich, nach achtern zu gehen und den Schiffsprofoß zu rufen.«
Der Proviantmeister eilte davon. Farquhar musterte den Kreis der Gesichter mit offener Geringschätzung. »Ihr scheint eure Lektion nie zu lernen, was?« Er wandte sich Betts zu, der noch immer auf das Fleisch blickte und, wie nach einer mächtigen Anstrengung, hörbar atmete. »Sie sind ein Narr, Betts! Jetzt werden Sie dafür büßen.«
Allday drückte seine Schultern gegen die kalten und nassen Spanten der Fregatte und schloß die Augen. Er hatte gewußt, wie alles kommen würde. Ihm war übel, während er Betts' schweres Atmen und Fergusons leises Wimmern hörte.
Unvermittelt dachte er an die stillen grünen Hügel und die Herden grauer Schafe, an die Weite Cornwalls und ihren Frieden.
Dann bellte Farquhar: »Bringen Sie ihn fort, Mr. Thain.«
Der Schiffsprofoß stieß Betts zum Niedergang und murmelte leise vor sich hin: »Kein einziges Auspeitschen mehr seit Falmouth. Ich wußte, daß solche Weichheit ein schwerer Fehler war.«
Richard Bolitho stützte die Hände auf das Fensterbrett eines der Heckfenster und blickte ins schäumende Kielwasser. Die Kajüte lag bereits im Halbdunkel, da die Phalarope auf die untergehende Sonne zufuhr, doch die See war noch hell. Nur eine Andeutung von Purpur zeigte, daß der Abend nahte.
In der salzbesprühten Scheibe spiegelte sich Vibarts Gestalt.
Er stand mitten in der Kajüte und gerade so unter der kreisenden Lampe, daß sein Gesicht im Schatten lag. Hinter ihm zeichnete sich Fähnrich Farquhars schlanker Umriß ab.
Bolitho mußte seine ganze Selbstbeherrschung zusammennehmen, um keine Bewegung zu machen und ruhig zu bleiben, während er erwog, was Farquhar gemeldet hatte. Bolitho hatte nochmals die Schiffsjournale durchgesehen und gerade versucht, Vibarts hölzerne Reserve zu durchbrechen, um den Ersten und dessen Meinungen besser kennenzulernen.
Es war ein schwieriges und anscheinend fruchtloses Unternehmen, wie auch alles andere während der vergangenen zwanzig Tage. Vibart war zu vorsichtig, seine Feindseligkeit offen zu zeigen. Er hatte sich auf kurze, nichtssagende Antworten beschränkt, schien das, was er über das Schiff und dessen Besatzung wußte, als persönlichen Besitz zu hüten.
Dann war Farquhar mit seiner Geschichte von Betts' Angriff auf den Proviantmeister hereingestürzt: nur eins der vielen Vorkommnisse, die seine Gedanken von dem, was vor ihnen lag, ablenkte, von der eigentlichen Aufgabe, die Fregatte zu einer einzigen, festen Kampfeinheit zu machen.
Bolitho zwang sich dazu, die beiden Offiziere anzusehen.
»Wache! Mr. Evans soll kommen.« Er
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