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Bruderkampf

Bruderkampf

Titel: Bruderkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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ist er fort.«
    Bolitho fuhr hoch. »Fort?«
    »Ja, nach Amerika. Seit zwei Jahren habe ich nichts mehr von ihm gehört. Es liegt mir auch nichts daran.« Er wandte sich um.
    Der Ausdruck seiner Augen strafte die zuletzt geäußerten Worte Lügen. »Nicht zufrieden damit, seiner Familie Schande gemacht zu haben, mußte er auch noch seine Heimat verraten.«
    Bolitho dachte an das Chaos und die vielen Toten bei der Katastrophe von Philadelphia und sagte langsam: »Vielleicht hat ihn der Ausbruch der Rebellion an der Rückkehr gehindert.«
    »Du kennst deinen Bruder, Richard. Hältst du das für wahrscheinlich? Er mußte immer recht haben, stets die Trumpfkarten in der Hand halten. Nein, ich kann ihn mir nicht in einem Gefangenenlager vorstellen, nicht ihn.«
    Das Mädchen kam herein und knickste ungeschickt.
    »Verzeihung, Sir. Ein Offizier ist draußen und möchte Sie sprechen.«
    »Das wird Herrick sein, mein Dritter Leutnant«, sagte Bolitho schnell. »Ich bat ihn, ein Glas mit uns zu trinken. Ich werde ihn wegschicken, wenn es dir nicht recht ist.«
    Doch sein Vater richtete sich gerade auf und zog seinen Rock zurecht. »Nein, mein Junge. Laß ihn hereinkommen. Meine Scham darf nicht den Stolz auf den mir gebliebenen Sohn mindern.«
    »Es tut mir sehr leid, Vater«, sagte Bolitho leise. »Das wenigstens sollst du wissen.«
    »Danke. Ja, ich weiß es. Und dabei dachte ich immer: Der Kleine wird nie seinen Weg in der Marine machen. Du bist stets der Träumer gewesen, der, bei dem man nie etwas vorhersagen konnte. Ich fürchte, ich habe dich Hughs wegen vernachlässigt.
    « Er seufzte. »Nun ist es zu spät.« Man hörte Schritte auf dem Flur, und er setzte eilig hinzu: »Vielleicht sehen wir uns nie wieder, mein Junge. Aber ich möchte dir etwas geben.« Er schluckte. »Hugh sollte ihn bei seiner Beförderung zum Kapitän bekommen.« Er holte einen Degen aus dem Schrank. Er war alt und mit Patina überzogen, doch Bolitho wußte, daß er kostbarer war als jeder glänzende Stahl und alle Vergoldung.
    Bolitho zögerte. »Deines Vaters Degen? Du hast ihn immer getragen.«
    James Bolitho nickte. Er drehte den Degen behutsam in den Händen. »Ja, ich habe ihn immer getragen. Er war ein guter Freund.« Er reichte die Waffe seinem Sohn. »Nimm ihn.« Er lächelte plötzlich. »Und dann wollen wir gemeinsam deinen Dritten begrüßen.«
    Als Herrick unsicher das große Zimmer betrat, sah er nur seinen lächelnden Gastgeber und seinen neuen Kapitän, der eine dem anderen wie aus dem Gesicht geschnitten. Doch Bolitho sah den Schmerz in den Augen seines Vaters und war bewegt.
    Sonderbar. Wie stets war er nach Haus gekommen, um Trost und Rat zu finden. Und doch hatte er weder die Schwierigkeiten noch die Gefahren seines neuen Kommandos erwähnt, auch nicht die große Verantwortung, die ihm wie ein Schwert über dem Haupt hing.
    Diesmal war er derjenige gewesen, der Trost und Rat spenden sollte, und er schämte sich, weil er keine Antwort geben konnte.
    In der Morgendämmerung des folgenden Tages lichtete die Phalarope den Anker und setzte Segel. Nicht Hochrufe begleiteten ihre Abfahrt, sondern die Tränen und Flüche der Frauen und alten Männer, die von der Mole aus dem Schiff nachblickten.
    Die Luft ging scharf und frisch. Und als die Rahen kreischend herumschwangen und das Schiff krängend von Land ablief, stand Bolitho an der Heckreling. Sein Teleskop wanderte langsam über die grünen Hügel und Hänge und die an ihrem Fuß zusammengedrängte Stadt.
    Er hatte jetzt eine vollzählige Besatzung. Die Zeit würde die neuen Leute zu Matrosen machen. Mit ein wenig Geduld und Verständnis würden vielleicht Männer aus ihnen werden, auf die ihr Land stolz sein konnte.
    Das Leuchtfeuer von St. Anthony's blieb achtern zurück, der alte Leuchtturm, der dem heimkehrenden Seemann den ersten heimatlichen Gruß entbot. Bolitho fragte sich, wann er ihn wiedersehen würde, und ob überhaupt. Er dachte auch an seinen Vater, der allein in dem alten Haus mit seinen Erinnerungen und enttäuschten Hoffnungen saß.
    Bolitho wandte sich um. Sein Blick fiel auf einen der Schiffsjungen, ein Kind von etwa zwölf Jahren. Der Junge schluchzte hemmungslos und winkte zum Land zurück, das im Dunst verschwamm. »Weißt du, daß ich nicht älter war als du, als ich zur See ging?« fragte Bolitho.
    Der Junge rieb sich mit der schmutzigen Hand die Nase und starrte den Kapitän aus weit aufgerissenen Augen an.
    »Du wirst England wiedersehen«, setzte Bolitho

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