Bruderkampf
das Boot laufen. Heute nacht ist die Flut unser Verbündeter.« Über den Bug des Beibootes hinweg sah er deutlich die Korvette. Ihr schlanker Bugspriet zeigte direkt über seinen Kopf. »Vorsichtig, Jungs, vorsichtig!« Achtern an der Heckreling glomm eine Laterne, und eine zweite schimmerte schwach neben dem Fockmast. Dort war wahrscheinlich der Niedergang zum Mannschaftslogis, der wegen der Wärme offen stand.
»Riemen ein!« Er knirschte mit den Zähnen, als die schweren Riemen sorgfältig über die Duchten gelegt wurden. Jeder Laut klang wie ein Donnerschlag. »Steuere mit dem Strom, Stockdale.« Er beugte sich vor. »Bugsgast, den Enterhaken klar!« Für sich setzte er hinzu: Der Lärm macht nichts, sobald wir erst einmal an Bord sind.
»Sir!« Der Schlagmann gestikulierte wild. »Sehen Sie, Sir.
Ein Wachboot.«
Bolitho verfluchte sich wegen seiner übergroßen Zuversicht.
Er blickte in die angegebene Richtung, sah den weißen Schaum von Riemen und hörte kaum zwanzig Yard entfernt das Kreischen von Ruderklampen.
Einige seiner Männer schnauften überrascht, doch er sagte barsch: »Vorwärts, Bugsgast. Den Enterhaken!«
Das Beiboot schwang schwerfällig um den Steven der Korvette, als der Enterhaken hinaufflog und sich im Schanzkleid verbiß. Dann überstürzten sich die Ereignisse. Vom Wachboot her ertönten Rufe, denen eine unregelmäßige Gewehrsalve folgte. Der Schlagmann neben Bolitho schrie auf und stürzte verkrümmt über das Dollbord, seine Arme schlugen wie Dreschflegel, als er im dunklen Wasser verschwand.
Kugeln hämmerten in das Beiboot und in die Planken der Korvette.
Die Männer zauderten, als über dem Schanzkleid ein Gesicht auftauchte und das wütende Aufblitzen einer Pistole das Beiboot kurz erhellte. Belsey duckte sich, fluchte wüst, und ein anderer Mann sank wimmernd zusammen. Blut schoß aus seiner Schulter.
Bolitho turnte in dem Boot, das sich um seine eigene Achse drehte, nach vorn und sprang zur Reling der Korvette hoch.
Einen Augenblick strampelten seine Füße über dem Wasser, doch dann war er oben und über dem Schanzkleid. Der Atem wurde ihm aus den Lungen gepreßt, als ein Matrose, der sich nach ihm über die Reling schwang, auf ihn fiel. Er kämpfte sich auf die Füße, während sich der Rest seiner Mannschaft hinaufschwang. Der einzige Verteidiger der Korvette lag in einer Blutlache, und ein Mann, der plötzlich nackt im offenen Niedergang auftauchte, stieß einen Schreckensschrei aus, floh zurück unter Deck und schlug die Luke hinter sich zu.
Bolitho steckte den Säbel in die Scheide und sagte gelassen: »Das spart uns die Mühe, sie aufzuspüren!« Und dann, als eine weitere Salve vom Wachboot herüberpfiff: »Sie kennen Ihre Aufgabe, Belsey. Die Ankerkette kappen und dann ans Ruder.«
Seine Leute brüllten wie Verrückte, als sie über das Deck hasteten, als wäre alles eine alltägliche Angelegenheit. Bolitho stellte sich die Panik und das Durcheinander vor, als die schlaftrunkenen Mannschaften aus den Hängematten torkelten, um dem Ruf zu den Waffen zu folgen.
»Kette gekappt, Sir«, ertönte es von der Back.
»Sehr gut. Die Strömung wird sie mitnehmen.« Bolitho rannte an die Reling und spähte durch die Dunkelheit zum nächstgelegenen Transporter. Er bemerkte jetzt mehr Laternen und glaubte zu sehen, daß sich die Stückpforten des Oberdecks öffneten. Ihre Wut wird gleich der Besonnenheit weichen, dachte er.
»Legt Feuer im Schiff!« Er deutete auf den Fockmast. »Hier anfangen, Belsey.«
Fasziniert beobachtete er Belseys Matrosen, die das Ankerlicht an eine Mischung aus Öl, Werg und Leinen hielten.
Das Resultat ließ nicht lange auf sich warten und war furchtbar.
Mit wildem Donnern züngelten die Flammen die Wanten hinauf und ergriffen im Handumdrehen den ganzen vorderen Teil des Decks. Große Feuerzungen beleuchteten die gesamte Reede, so daß die anderen Schiffe sich in dem Inferno nackt und bloß abzeichneten. Takelage und Tauwerk flammten und knisterten, als das Feuer durch die geteerten Stagen züngelte und nach den zusammengerollten Segeln griff. Spieren und Planken, von der Sonne ausgetrocknet, brannten wie Zunder. Die knatternden Flammen fraßen sich immer weiter, während sich Bolithos Leute, halb betäubt von dem Ausmaß ihres Zerstörungswerkes, zurückzogen.
Bolitho kämpfte sich durch den beißenden Rauch und die sengende Hitze. Er war froh, daß Belsey die Luke zum Logis geöffnet hatte, und bemerkte, daß die Matrosen schon zum
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